Der Glanzrappe
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Begründet von Hans Magnus Enzensberger
Herausgegeben von
Klaus Harpprecht und Michael Naumann
Robert Olmstead
DER GLANZRAPPE
Aus dem Amerikanischen übersetzt von
Jürgen Bauer und Edith Nerke
Eichborn Verlag
Frankfurt am Main
Hast du dem Roß Stärke verliehen
u nd seinen Hals mit der flatternden Mähne umhüllt?
Es scharrt den Boden mit Ungestüm . ..
BUCH HIOB
1 AM ABEND DES 10 . MAI 1863 ,
eines Sonntags, rief Hettie Childs ihren Sohn Robey zurück ins Haus. Er war bei den alten Feldern, strich auf der hohen Wiese am Weidezaun entlang, wo die Rinder standen und an den Halmen des frischen Frühlingsgrases zupften, das aus der Mahd am Rand der Weide hervorschaute.
Robey hatte einen schlurfenden Gang, breitbeinig und mit wiegenden Schultern. Seine Hände waren schon richtige Männerhände, kantig und mit langen Fingern, und sein Haar fiel weich auf die Schultern herab. Er war noch ein Junge, noch nicht ausgewachsen, aber in letzter Zeit hatte er wiederholt heftige Schübe gehabt, einmal mehr als zwei Zentimeter in einer Nacht. Am nächsten Morgen hatte er sich gefühlt, als käme er von der Streckbank; sein Körper hatte so geschmerzt, daß er einen Schrei ausstieß, als er sich aufsetzte.
Die Hunde rappelten sich hoch, und die Mutter fragte, was ihn quäle. In letzter Zeit fehlte ihr die Geduld für die unklaren Bedürfnisse von Jungen und Männern, für deren überstürztes Handeln bei Dingen, die sie weder verstehen noch benennen konnten. Für sie waren Männer nichts anderes als trockenes Wetter oder ein überraschend aufziehender Sturm ohne Regen. Sie kamen und gingen, sie erlitten Schmerzen, und sie verursachten Schmerzen. Männer lachten verhalten und weinten still, als folgten sie einem fernen Ruf. Sie blieben ihr Leben lang kindisch, waren lieb und unbeherrscht und nahmen Geräusche so wahr, wie Hunde es tun. Sie waren wie der Mond, zeigten alle acht Tage ein anderes Gesicht.
Robey kratzte sich am Kopf und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. Ihm war, als wäre er in der Nacht von Phantomen gepackt und ein ums andere Mal h erumgewirbelt worden, als hätte sich sein Körper in Krämpfen verzerrt.
Er wußte nicht, was mit ihm los war, und er verstand nicht, was sich in ihm abspielte, er glaubte aber, daß es nur ein Zustand war, etwas Vorübergehendes, nichts von Bedeutung, und daß es einfach etwas Geduld brauchte und schon wieder wegginge. So sagte er es seiner Mutter.
»Das denk ich auch«, erwiderte sie.
Als er an diesem seidig kühlen Frühlingsabend am Weidezaun entlanglief, klapperte er mit einem Walnuß s tecken gegen die silbrig grauen, rissigen Zaunlatten. Er dachte an seinen Vater, der in den Krieg gezogen war. Der Vater, immer nur ein Gedanke, ein Wort, eine Geste entfernt. Er sprach laut mit ihm, stellte ihm Fragen und erzählte ihm etwas. Er sagte ihm vor dem Einschlafen gute Nacht und nach dem Aufwachen guten Morgen. Er hätte sich nicht gewundert, ihn gleich hinter der Ecke auf einem Hocker sitzen zu sehen, vielleicht schon bald, vielleicht schon in diesem Augenblick. Robey war hier oben am Berg geboren, in dem Zimmer, in dem seine Eltern ihn gezeugt hatten, aber sein Vater hatte immer behauptet, er wäre nicht ihr Kind, sie hätten ihn gefunden. Ein Findelkind, das in der Zisterne schwamm, in der Krippe auf d em Stroh lag, hinter dem Kuhstall auf einem Kürbis saß.
In der Luft über seinem Kopf stand eine Wolke frisch geschlüpfter Eintagsfliegen, flüchtige flirrende Wesen, die mit ihren durchsichtigen Flügeln den Abendhimmel fältelten. Vor einer knappen Stunde hatte er sie aufsteigen sehen wie eine Engelsschar, deren Augenblick gekommen war. Sie waren aus dem Bach emporgestiegen, wo sich das Wasser sprudelnd unter einem Felsspalt sammelte, um dann in einem silbrigen Bogen zwischen den vielen Felsbrocken hindurch die Weide zu nässen und schließlich über eine Felskante hinabzustürzen. Da hörte er die sorgenvolle Stimme seiner Mutter.
Als er von der hohen Wiese herabkam, standen ihr die Hunde als Wachposten zur Seite, die schlanken Körper an sie gepreßt.
Sie sprach leise, und als er nicht
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