Eins zu Null für Schreckenstein
Hans-Jürgen. „Zur Verständigung kann man die Intellektuellen nicht gebrauchen.“
Auch Rolle mußte lachen und sagte etwas auf Schottisch, dann las er weiter: Im Augenblick sei Mister Mac Donald nicht da, sondern bei einer Beerdigung in Edinburgh. Aber ihr nächster Brief käme auf Deutsch. Sie versprachen, von jetzt an regelmäßig zu schreiben. Noch schöner wäre es natürlich, einander persönlich kennenzulernen. Die Schreckensteiner sollten sich in ihre Boote setzen und einfach rüberkommen. So wie seinerzeit ihre Vorfahren, die Wikinger. Das wäre doch ein toller Streich! „Mann!“ rief Beni, als seien ihm die möglichen Folgen seiner Ruderpartie mit Mauersäges stämmigem Neffen jetzt erst restlos bewußt geworden. Und obwohl jedem klar war, daß sich der Vorschlag unmöglich verwirklichen ließ, brach die Schweigezeit, sonst immer eingehalten, unter dem Eindruck dieses Briefes zusammen.
Auch der Rex hielt sich nicht mehr daran. „Respekt, Herr Türk!“ rief er Rolle zu und klatschte Beifall, dem sich das Lehrerkollegium anschloß . „Woher können Sie so gut Englisch?“
„In meiner Zeit als Leichtathletiktrainer war ich zwei Jahre drüben.“ Verlegen lächelte der Meistermacher. Nie hatte er ein Wort darüber verloren.
Um Ottokar drängten sich die Ritter. Jeder wollte die Fotos sehen. Eines zeigte die Burg von der Landseite, ein düsterer Feldsteinbau, auf den ersten Blick mehr Ruine als bewohnt wirkend.
„Fulminant murky !“ befand Stephan.
Von Seeseite aus gesehen thronte sie drohend auf der Steilküste. Im gepflasterten Innenhof standen alte Kanonen. Über einem Torbogen ragte eine Pechnase aus dem Mauerwerk; im Treppenhaus hingen Rüstungen an den Wänden, in einem großen Saal blinkte ein Stern aus Schwertern von der Wand. Davor standen schwere Tische mit Bänken ohne Lehnen, und an jedem Ende befand sich ein mannshoher, offener Kamin.
In einem anderen, ähnlichen Raum, ohne kriegerischen Wandschmuck, standen Betten und sonst nichts, kein Tisch, kein Schrank, kein Stuhl.
„Zwanzig“, zählte Dampfwalze.
Dagegen wirkte das nächste Foto lieblich: Blick von einem Turm über verwinkelte Dächer auf zwei Reiter. Auch ein Gruppenbild der Jungen war dabei.
„Wilder Verein!“ meinte Andi.
Das nächste zeigte ein Segelboot auf hohen Wellen vor der felsigen Küste. An Bord noch wildere Typen. Auf dem letzten Foto wirkten sie alle ganz zahm und ordentlich, wie sie in Kilts hinter einer Dudelsackkapelle hermarschierten. Jeder im Strumpf den Sgian Dubh .
„Schon alles?“ witzelte Klaus. „Kein Foto von den Geistern?“ Daß es solche dort gab, daran zweifelte nach dem Gesehenen keiner mehr. Die Bilder gingen weiter von Hand zu Hand. Nur wenige äußerten sich dazu, und die versuchten besonders witzig zu sein. Aber niemand lachte.
„Ob’s da Ratten hat?“ Der kleine Kuno schaute verwegen. „Nur Geister von Ratten!“ antwortete der kleine Herbert. Es ergab sich, daß die Redaktion der Schulzeitung gemeinsam den Eßsaal verließ. Eine Weile gingen die vier wortlos nebeneinander her. Doch da es der Presse obliegt, als erste feste Standpunkte zu entwickeln, fragte Mücke schließlich: „Na, was sagt ihr?“
„Es ist genau wie vorher“, meinte Hans-Jürgen. „Wir warten wieder mal. Nur auf was anderes.“
„Genau“, pflichtete Andi ihm bei.
„Und? Was ist das?“
Strehlau war es, der Mückes Frage beantwortete. Zunächst mit Stirnrunzeln und längerer Denkpause. Dann machte er den Mund auf: „Wir sind von Duncraig enttäuscht. Bei uns ist es schöner. Aber das freut uns nicht. Weil sie uns imponieren, in ihrem kalten Gemäuer. Das sind harte Burschen!“
Versonnen nickten die drei. Da war was dran. Die Redaktion wollte nicht vorgreifen und beobachtete die Entwicklung. Das Leben auf der Burg ging seinen gewohnten Gang. Doch die Ruhe täuschte. Wo immer sich Gelegenheit bot, standen Ritter zusammen und überlegten, was man den Schotten schreiben, welche Bilder man ihnen unbedingt schicken müßte.
Auch der Ritterrat, der am Abend in der Folterkammer zusammentrat, beschäftigte sich ausschließlich mit Duncraig , bis es Dampfwalze zu dumm wurde. „Könnt ihr nicht mal von was anderem reden? Wir sind doch nicht im Zugzwang!“
„Genau!“ stimmte Ottokar ihm zu. „ Strehlau soll ein paar Streiche aus der Chronik raussuchen, Dr. Waldmann macht die Fotos – er kann das am besten –, und Hans-Jürgen schreibt einen Brief dazu. Fertig.“
„Er hat recht!“ pflichtete
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