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Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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draußen«, sagte Robert derweil im Inneren der
Wohnung, »ist das nicht der, mit dem sich Johnny angeblich geprügelt hat, auf
dem Spielplatz? Dann steckt er mit Johnny am Ende unter einer Decke! Swentja!
Mit was für Gesindel treibst du dich rum!«
    Swentja gab ihrem Vater statt einer Antwort eine Ohrfeige.
    »So weit ist es mit uns also gekommen?« flüsterte Robert und sah
stumm seiner Tochter hinterher, die hinaus ins Freie lief. Ihr Herz klopfte wie
wild. Mahmud hatte sich bereits verdrückt.
    Vielleicht, dachte Robert jetzt, steckte auch Swentja mit Johnny
unter einer Decke, wie der Kanake. Vielleicht hatten sie sich dies alles zu
dritt ausgedacht! Bei dem Gedanken wurde ihm schwindlig. Er hielt seine Tochter
für verschlagen und verlogen, und als sie vor zwei Jahren ihren Lateinlehrer
beschuldigt hatte, sie begrapscht zu haben, hatte sie wahrscheinlich das Blaue
vom Himmel phantasiert. Immerhin war sie durch jene Anschuldigung drum
herumgekommen, das Schuljahr wiederholen zu müssen, doch ihre Leistungen waren
immer schwächer geworden, sie schien vom Gymnasium überfordert, was gewiß nicht
an ihrer Intelligenz lag, nur an ihrer elenden Faulheit.

12
    Gegen zehn Uhr stand Ekki auf Minnies Fußabstreifer und
bat die Kellnerin um Verzeihung dafür, daß er letzte Nacht so schroff zu ihr
gewesen war. Minnie, noch ein wenig schlaftrunken, bat ihn herein, kochte
Kaffee und bot an, fertigzubackendes Ciabatta-Brot fertigzubacken, sie habe
Käse, Schinken und Aprikosen- wie auch Kiwi-Marmelade. Ekki nahm Minnie in
seine Arme und meinte, ob Kiwi oder Aprikose, sei egal, er liebe sie, von
ganzem Herzen. Er habe letzte Nacht sein Leben von weit oben betrachtet und für
nicht ausgefüllt befunden. Sie, Minnie, sei genau das, was dieses leere Leben
ausfüllen könne. Er habe eine zugegeben sehr lange Weile gebraucht, dies
einzusehen, aber inzwischen sei ihm die Sache klar geworden, und so stehe er
nun hier und gebe sich in ihre Hände.
    Minnie fand nach wie vor, daß Ekki ein wenig zu dünn für sie war, zu
gescheit und zu eigen. Aber sie pfiff darauf und sagte: Gut, so sei es.
    Die wiedererwachte Sonja wurde von einer Kinderpsychologin
betreut, die es nicht richtig fand, die Kleine sofort nach den exakten
Umständen ihrer Entführung zu befragen. Spielerisch und mit viel Geduld knüpfte
sie einen Kontakt zu ihr, mit diversen, extra zu diesem Zweck hergestellten
Rollenpuppen. Ein Engel, ein Drache, der Schwarze Mann ohne Gesicht, ein
Säugling mit Schnuller im Mund, ein Polizist sowie ein Pinocchio mit angedeuteter
Nasenerektion. Als endlich feststand, daß das davongetragene Trauma nicht so
schlimm war wie befürchtet, weil Sonja den Umständen entsprechend gut behandelt
und nicht im engeren Sinn sexuell mißbraucht worden war, wurde doch mit der
Fahndungsarbeit begonnen. Das Mädchen machte keine konkreten Angaben zu ihrem
Entführer, nur daß es ein Mann war, ein schon älterer Mann mit rauher, tiefer
Stimme. Sie konnte sich auch nicht daran erinnern, wie sie in den Käfig geraten
war. Auf dem Spielplatz habe ihr jemand von hinten ein feuchtes Tuch über den
Mund gehalten, sie habe erst gedacht, es sei ihre Schwester gewesen. Dann sei
sie im Käfig aufgewacht, mit Kopfweh, und habe immer eine Mütze aufsetzen und
übers Gesicht ziehen müssen, bevor der Mann ihr zu essen und zu trinken
brachte. Er habe ihr auch Puppen zum Spielen gegeben, habe ihr CD s mit Märchen vorgespielt, sei meist recht
freundlich gewesen und habe behauptet, sie müsse einige Tage unter der Erde in
Sicherheit verbringen, weil auf der Obenwelt ein furchtbarer Donnersturm wüten
würde. Er sei ein Engel, drum dürften ihre allzujungen Augen sein Gesicht nicht
sehen, um nicht zu erblinden. Ihre Eltern würden sie abholen, sobald der
furchtbare Donnersturm sich gelegt hätte.
    Schließlich wurde ihr ein Foto von Johnny gezeigt. Ob sie diesen
Menschen kennen würde? Sie sagte, der sei auf dem Spielplatz gewesen und habe
mit ihrer Schwester Swentja geredet.
    Ob es derselbe sein könne, der ihr, als sie im Käfig war, Essen und
Trinken gebracht habe? Sonja überlegte einen Moment, dann meinte sie, so sähe
doch kein alter Engel aus. Die Fragereien gingen ihr auf die Nerven, und sie
war müde.
    Johnny besaß kein starkes Alibi. Er sei in einer Kneipe
namens Nachtmar unterwegs gewesen, mit einem ihm nicht näher bekannten Araber
namens Mahmud, den ein Punk ohne echten Grund vollgepißt habe, danach sei
Mahmud verschwunden, und Johnny habe, aber

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