Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)
anderen langsamer geht. Beide haben das Gefühl, der jeweils andere lebe in Zeitlupe. Würden Hans und Peter beide plötzlich stillstehen, würden sie allerdings feststellen, dass die Zeit für beide gleichermassen verstrichen ist. Hans und Peter wären beide um fünf Jahre gealtert. Das gilt allerdings nur solange, wie sich Hans und Peter mit konstantem Tempo und geradlinig bewegen. Sobald einer beispielsweise die Richtung ändert, hat die Zeitdilatation auch hier einen nicht rückgängig zu machenden, nachhaltig wirkenden Effekt. Die Wirkung der gravitativen Zeitdilatation ist demgegenüber immer dauerhaft und nicht spiegelbildlich. In einem starken Gravitationsfeld läuft die Zeit tatsächlich langsamer ab als ausserhalb. Eine Person am Rande eines Schwarzen Loches altert wesentlich langsamer als ein Mensch auf der Erde. Die Zeit vergeht auf einem Berg schneller als am Meer. Beim GPS-Navigationssystem wird aus diesem Grund eine Frequenzkorrektur der Signale durchgeführt, um Positionsbestimmungsfehler zu vermeiden (obwohl der Effekt der gravitativen Zeitdilatation in irdischen Sphären relativ klein ist).
Warum aber läuft die Zeit in einem Gravitationsfeld langsamer ab als in der flachen Raumzeit? Wie kann es sein, dass Uhren auf der Erde langsamer gehen als auf dem Mond?
Stellen wir uns eine Rakete vor. Wenn sich die Rakete mit gleichmässiger Geschwindigkeit bewegt, ist gemäss der speziellen Relativitätstheorie aus der Rakete heraus nicht feststellbar, ob die Rakete ruht oder mit konstantem Tempo durchs Weltall fliegt. Aufgrund der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit vergeht aus der Sicht der Insassen die Zeit normal. Wenn die Astronauten aber aus dem Fenster schauen, haben sie das Gefühl, die Zeit in relativ dazu ruhenden Bezugssystemen vergehe langsamer. Die Betrachter aus diesem Bezugssystem wieder haben das Gefühl, die Zeit in der Rakete vergehe in Zeitlupe. Stellen wir uns zur Veranschaulichung vor, in der Rakete befindet sich eine Lichtuhr wie die, die wir im Kapitel zur speziellen Relativitätstheorie vorgestellt haben. Wenn die Rakete jetzt beschleunigt 20 , muss der Lichtstrahl einen längeren Weg zurücklegen, um einmal vom oberen zum unteren Spiegel und wieder zum oberen Spiegel zu gelangen. Und zwar aus Sicht eines aussenstehenden Betrachters und den Insassen des Raumschiffs. Das aus dem einfachen Grund, dass sich die Spiegel in Beschleunigungsrichtung der Rakete bewegen und daher das Licht eine grössere Entfernung zurücklegen muss. Da die Lichtgeschwindigkeit immer gleich schnell ist, braucht das Licht mehr Zeit, um die längere Strecke zu bewältigen, wodurch die Zeit im Raumschiff langsamer abläuft. Das gilt natürlich nicht nur für die Lichtuhr, sondern für alle Prozesse im Raumschiff, auch für die Bordelektronik oder die Astronauten. Falls die Astronauten einen Blick aus dem Raumschiff werfen, haben Sie das Gefühl, alles um das Raumschiff herum bewege sich im Zeitraffer. Ein aussenstehender Betrachter wiederum sieht die Zeit im Raumschiff langsamer ablaufen. Die gravitative Zeitdilatation bewirkt folglich eine effektive Veränderung des Zeitablaufs, der von jedem Betrachter gleich wahrgenommen wird. Die Astronauten könnten vor dem Abflug von der Erde zwei Atomuhren synchronisieren. Die eine Atomuhr deponieren sie in der Bodenkontrolle, die andere Atomuhr wird in einen Satelliten in der Erdumlaufbahn gebracht. Nach einiger Zeit werden beide Atomuhren in der Bodenkontrolle verglichen. Dabei wird man feststellen, dass die Atomuhr des Satelliten vorgeht und die Atomuhr der Bodenkontrolle nachgeht, die Zeit auf der Erde somit effektiv langsamer verstrichen ist als im Satelliten. Ein Beweis der gravitativen Zeitdilatation. Ein solches Experiment wurde übrigens tatsächlich durchgeführt, in dem zwei synchronisierte Atomuhren in unterschiedlichen Höhen platziert wurden. Eine auf einer Bergspitze, die andere im Flachland. Nach einigen Wochen zeigte sich, dass die Zeit im Flachland geringfügig langsamer verstrichen ist als auf der Bergspitze. Aus dem Grund, dass die Gravitation im Flachland stärker ist als auf der Bergspitze. Für einen Bewohner eines Inselstaates auf Meereshöhe vergeht die Zeit tatsächlich langsamer als für einen Einsiedler, der in einer Höhle im sibirischen Gebirge wohnt. Der Unterschied ist allerdings so gering, dass er sich mit normalen Armbanduhren nicht messen lässt. Bereits bei GPSSatelliten müssen diese Zeiteffekte aber berücksichtigt werden. Auch die
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