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Eis

Eis

Titel: Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kosch
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die rücksichtslos ausgebeutet werden, und es ist schon höchste Zeit, daß wir uns dem entgegenstemmen. Die Eiszeit ist angebrochen – und diesen Umständen entsprechend muß man kalt und überlegt handeln. Von Schwärmerei und Romantik war es genug! Entsagen wir uns der Hoffnung und dem Glauben an laue Humanitätsappelle, an die Wärme der sogenannten Menschenliebe; in den kalten Meeresgewässern haben sich auch nur kaltblütige Tiere am Leben erhalten. Wird es nötig werden, im Namen der Menschlichkeit die Anstrengungen von zehntausend Jahren und ein paar hundert Generationen zunichte zu machen, um an den Ausgangspunkt zurückzukehren? Physiologisch haben wir seit der letzten Eiszeit kaum Fortschritte gemacht, wir haben uns nur ganz wenig verändert. Da – der Genosse Generaldirektor, unterscheidet der sich in so vielem von denen dort? Ich muß sagen: fast überhaupt nicht. Wir müßten ihn nur ausziehen …“
    „Nein, um Himmels willen!“ schrie die Hausfrau auf.
    „Und warum nicht?“ rief schnell die Genossin Dara. „Es wäre amüsant“ – aber der Generaldirektor schlug die Mantelschöße enger um sich und schlang seine Arme um die Hüfte, als habe er Angst, jemand könnte es tatsächlich tun. „Er müßte sich nur ausziehn, und wir würden uns schnell überzeugen … Dafür aber sind wir denen geistig um zehntausend Lichtjahre voraus. Um zehntausend Jahre ‚Geschichte der Menschwerdung des Menschen’. Mit dem Geist! Mit unserem Intellekt! Folglich ist es Rechtens, daß wir die Materie und die materiellen Güter in den Dienst des Geistes stellen. Im Namen der Technik, der Wissenschaft und des weiteren Fortschritts der Menschheit. Man muß sich zu unausweichlichen Opfern entschließen. Wie ein an Knochenfraß Erkrankter in die Amputation seines Armes einwilligt, um seinen Kopf zu retten. Ist es so, Genosse Reservedirektor? Von uns Auserwählten gibt es bedeutend weniger, und das bedeutet, daß Ihre Reserven bedeutend langsamer verbraucht und Sie länger in Ihrer hohen Position sein werden. Und was würde Ihnen Ihre Position ohne Reserven und ohne volle Magazine auch nützen? Sie könnten in die Lage des früheren Direktors Plećasch geraten – bei dem man mit der gerechten Verteilung der Güter den Anfang machen müßte. Darum, liebe Frau des Hauses, erlauben Sie, daß ich seine Tasse Tee ergreife, um die Kalorien zu ersetzen, die ich bei meiner Ansprache verbraucht habe.“
    Er übernahm die Tasse aus Frau Krekićs Hand und führte sie zum Mund, und der gewesene. Generaldirektor Genosse Plećasch schaute auf seine Fußspitzen und saß irgendwie ausgesondert auf seinem Platz, gezeichnet, überflüssig und unnütz, fremden Blicken ausgesetzt und hilflos wie ein Baby, das in die Windeln gemacht hat.
    In der eingetretenen Stille hörte man, was die um den Hausherrn versammelten Gäste sprachen.
    „Ist Ihnen bekannt, daß Stojić nach Paris versetzt wurde?“
    „Ich weiß. Strafhalber. Damit er sich ein wenig abkühlt in diesem wüsten und toten Hundestall. Auf seinem früheren, warmen Posten in Khartum war er allzu geschwätzig und eigensinnig. Im kalten Krieg braucht man kühle Köpfe, aber nicht so leicht entzündliche wie der seine. Im übrigen ist er gut davongekommen; er hätte Bekanntschaft mit Kanada oder Schweden machen können …“
    „Atzković ist nach Jemen übergewechselt. Der wußte sich zurechtzufinden!“
    „Noch besser ist Tatić davongekommen. Er hat erwirkt, daß er statt nach New York als Konsul nach Dschibuti kam. Denkt euch! Dort sind jetzt mindestens fünfundzwanzig Grad im Schatten. Man kann draußen sitzen, an der Sonne, und die Menschen flanieren in leichten Sommerpyjamas durch die Straßen.“
    Einige waren der Ansicht, man sollte sich überhaupt loslösen von diesen alten, versteinerten und erkalteten europäischen Ländern und mehr Aufmerksamkeit den heißen Staaten Afrikas, Südamerikas, Mittelamerikas und Ozeaniens widmen, vor denen eine warme Zukunft liege. Sie fragten sich, warum man noch abwarte und nicht endlich diplomatische Vertretungen einrichte in so glutgesättigten Gegenden wie Aden, Kenia, Tanganjika, Rhodesien, Njassaland, Sahara, Uganda, Kamerun, Ruanda-Urundi, Madagaskar, Tahiti, Samoa, Tuamotu, Rarotonga, Fidschi und anderen ozeanischen Inseln, reich an Erdöl, Holz und Kokosnüssen und bekannt durch bedeutende Kulturen der Vergangenheit.
    „Auf jeden Fall!“ stimmten alle ein. „Alte große Kulturen, die Wiegen der Menschheit!“ Und es meldete

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