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Eis

Eis

Titel: Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kosch
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heut am besten gewöhnlich, natürlich. A la nature.“
    Sie nahmen, einander gegenüber, an einem kleinen metallenen Tisch Platz. Alles ist vorbereitet und in schönster Ordnung: Tischtuch, Teller, Servietten, Messer, Gabeln und übriges Zubehör. In der Mitte statt Blumen – Tannenzweige. „Erlaube, daß ich dich bediene“, sagte sie, nahm ein größeres Stück blutiges Fleisch aus der Schüssel und legte es ihm auf den Teller. Dann nahm sie auch selbst. „Gesegnete Mahlzeit!“ wünschte sie. „Gesegnete Mahlzeit!“ erwiderte er, schnappte sich das Stück Fleisch auf dem Teller mit beiden Händen und führte es zum Mund. Es war hart, er zog es auseinander und zerrte mit Zähnen und Händen daran, und sie tat auf der anderen Seite des Tisches dasselbe. Dann wischten sie sich mit der flachen Hand das Blut aus dem Gesicht und rieben sie an den Hosenbeinen ab, die vor Fett glänzten, als wären sie von Leder.
    „Gut?“ fragte sie.
    „Ausgezeichnet!“ sagte er. „Wieviel haben wir noch?“
    „Für mindestens fünfzehn Tage. Jetzt besteht keine Gefahr, daß es schlecht wird. Was meinst du, ob ich nicht auch ein Stück zu den Krekićs bringe? In letzter Zeit leben sie ziemlich elend.“
    „Denen? Nein, meine Liebe. Jetzt ist Eiszeit. Es ist nicht mehr die Zeit für warme Sentimentalitäten. Wer ist schuld daran, daß Krekić zu lange den prinzipiellen Menschen hervorgekehrt und es nicht verstanden hat, sich rechtzeitig anzupassen? Und meinst du, mir wäre es leicht und angenehm, in diesen Jahren Themen und Stil zu wechseln und von Wolken und Sternen überzugehn auf den Metzger Jovan und dessen Jagdabenteuer?“
    „Nein, Lieber, das hab ich auf keinen Fall sagen wollen. Ich frage mich, ob es denn auch vollkommen sicher ist, daß diese Kälte anhalten wird. Und wenn das Wetter sich wieder ändert? Es war mir dann unangenehm, ihnen zu begegnen.“
    „Davon ist keine Rede. Ich vermag gut zu spüren, woher der Wind weht. Wir Dichter haben dafür empfindliche Sinne. Und das Gedicht ist doch schön, nicht? Hör nur: Gefallen ist Eiszeit mitten in unsere Zimmer. / Aufgebrochen sind Eisberge, um uns zu zermalmen. / Und der Mensch ist allein geblieben, nagend am Knochen der eigenen Bosheit. / Oh, wo bist du, großer Mammutjäger, / wo bist du, Mächtiger, der du uns vor dem Hunger schützest / und mit warmem, rotem Fleisch uns jetzt ernährst, / du! Du Großer, du Gewaltiger, / du kühner Jäger, schwarz, so haarbewachsen … Stark, nicht wahr?“
    „Ja! Eins der besten Gedichte, die ich in letzter Zeit hörte.“
    „Weißt du, auch ihm hat’s gefallen. Nur der Schluß hat ihn ein bißchen gestört – ,schwarz, so haarbewachsen …’. Er hatte Angst, ich könnt mich über ihn lustig gemacht haben, aber er hat sich dann doch beruhigt. In der Tat ist es wichtig, daß wir in unseren Gedichten stets unausgesprochen und trübe bleiben, damit die Leser uns niemals vollständig und niemals bis zu Ende verstehen können. Sonst würden sie uns nicht genügend schätzen. Unser Dichterhandwerk erschiene ihnen allzu gewöhnlich, leicht und einfach; sie könnten auf den Gedanken kommen, sich selbst auch damit, zu befassen, und sie wissen doch gut, daß das, was sie können und zuwege bringen, weder viel noch wertvoll ist. Außerdem – es ist wichtig, daß sie wenigstens ein bißchen vor uns zurückschrecken; daß sie sich wenigstens ein bißchen vor unseren poetischen Figuren fürchten – ungefähr so wie Gläubige vor den geheimnisvollen, unverständlichen Formeln und Gebeten ihrer Stammeszauberer und Oberpriester. Nur auf diese Weise können wir verhindern, daß wir in eine allzu untergeordnete Stellung geraten. Im übrigen – du hast gesehn, was er gezahlt hat.“
    „Vorzüglich! Zwanzig Kilo Bärenfleisch. So viel hättest du für ein Gedicht nicht einmal früher, in der warmen Zeit, erhalten. Nach den alten Preisen, meine ich. Aber was wird er damit machen – wo will er’s veröffentlichen?“
    „Veröffentlichen? Selbstverständlich nicht in der Presse. Er wird’s in Eis einritzen. Neben seiner Ladentür.“
    „In Eis ritzen? Ist das denn eine ausreichende Ausstattung? Soviel ich weiß, hat man das früher nicht für sehr dauerhaft gehalten.“
    „Liebe, man muß sich endlich an die neuen Maßstäbe gewöhnen. Eis ist heutzutage das haltbarste Material. Im übrigen – Wissenschaftler haben errechnet, daß das Eis an den Polen mehrere zehntausend Jahre alt ist und noch aus den Tagen der ersten Eiszeit

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