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Eis

Eis

Titel: Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kosch
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würde.
    „Seltsam!“ sprach auch Herr Krekić. „Kohle und Grubenholz ziehen wieder rasch an. Das erste kann ich noch verstehn, aber wieso auch das zweite?“ Kurzsichtig lag er über den Tisch gebeugt, als repariere er eine Uhr, und machte mit schwarzem Bleistift Notizen und Striche in der Zeitung, wie ein häuslicher Amateurstratege mit Fähnchen die Truppenbewegungen an irgendwelchen entfernten Fronten markiert. Frau Krekić’ indessen entfernte sich zur gleichen Zeit nicht mehr vom Telefon. „Loden!“ bestellte sie. „Was wundern Sie sich? Ja, gewöhnlichen braunen Bauernloden. Für zwei, nein, für vier Anzüge. Aber sofort, bitte! Schicken Sie es auf jeden Fall noch heute.“ Der Reihe nach rief sie dann eine Schneiderwerkstatt wegen irgendwelcher warmen Wäsche, einen Schuster wegen Stiefel, eine Spirituosenhandlung wegen Doppeltgebranntem und eine Apotheke wegen einer größeren Menge Lebertran an. „Ja“, sagte sie, „fünfzig Liter – schicken Sie ruhig, was wundern Sie sich! Nein, es ist kein Irrtum. Nein, es ist kein Kindergarten. Für Familie Krekić.“
    „Genau!“ sprach Herr Krekić? und riß den Kopf hoch. „Doppeltgebrannter und Lebertran. Mach nur weiter so, ich bitt dich.“
    „Was soll denn das?“ fragte sie erbost. „Laß du mich nur, ich weiß, was ich mache. Kalorien und Vitamine“, sagte sie. „Heizung und Nahrung nach Bedarf“, fügte sie hinzu und begann wieder die Wählscheibe zu drehen. „Genosse Marie’! Hallo! Guten Abend! Haben Sie die zweite Lieferung abgeschickt? Nur bitt ich Sie, stärkere Pfosten, echtes Grubenholz. Was wollen Sie, wir sind nicht schuld, daß man bei dieser Kälte mit Beton nichts anfangen kann. Der Genosse Generaldirektor Plećasch, unser guter Freund, hat Sie sicher informiert. Er wird den Auftrag schon schicken und alles in Ordnung bringen. Also, ich empfehle mich – noch heute …“
    Sie legte den Hörer auf. Krekić unterstrich wieder etwas in der Zeitung, hob den Kopf, schaute seine Frau an und begann zu lachen, laut, aus voller Kraft, sich dabei mit einer Hand den Bauch und mit der andern am Stuhl festhaltend. „Ho, ho, ho!“ wiederholte er. „Hi, hi, hi! Jetzt versteh ich! Herrlich! Jetzt versteh ich alles!“
    Der Frau Krekić war nicht zum Scherzen zumut; sie hatte das dienstliche Getön noch nicht aufgegeben: „Was grinst du so dumm? Was ist daran so lächerlich?“ fragte sie, aber Herr Krekić ließ sich nicht stören … „Herrlich, herrlich!“ wiederholte er. „Kohle, Grubenholz, Loden, Doppeltgebrannter und Lebertran. Genau! Es stimmt genau. Wer hätte das gedacht! Wirklich, einfach unglaublich!“ Und dann erstickte er fast wieder vor Lachen.
    „Hör zu, verstehst du mich: Du bist es ja, die an der Wirtschaft rüttelt. Du hebst und senkst die Preise. Du schaffst Panik auf dem Markt. Du, Neda Krekić! Du – und nicht der Generaldirektor Plećasch. Du – und nicht der Direktor Marie?! Vor dir tanzen die Statistiken und schnellen alle amtlichen Zahlen in die Höhe. Bravo! Bravo!“ Er sprang auf und tanzte wie ein Kind um den Tisch herum, schlug die Handflächen zusammen wie zwei Tschinellen, stampfte auf den Fußboden und machte vor seiner Frau eine tiefe Verbeugung. „Dem neuen Direktor unserer Wirtschaft meinen tiefsten Diener“, sagte er und brach erschöpft in seinem Fauteuil zusammen.
    Das Telefon läutete und hinderte seine Frau daran, ihm zu antworten. Dara war am anderen Ende:
    „Was ist los, um Gottes willen, mit wem hast du so lange gesprochen? Seit einer halben Stunde wähl ich deine Nummer und bekomm keine Verbindung.“ Sie sprach derart laut, daß auch Krekić in seinem Fauteuil sie hören konnte.
    Frau Krekić blickte unverwandt ihren Mann an und sprach in die Muschel: „Oh, Servus! Warum hast du dich so lange nicht gemeldet?“
    „Wie soll ich mich denn melden, wenn du schon seit einer Stunde telefonierst. Mit wem konversierst du soviel? Wer war das?“
    „Ich konversiert? Das scheint dir nur so. Vielleicht hast du falsch gewählt. Ach, jetzt weiß ich’s: Duschko hatte den Stecker ‘rausgezogen. Nach dem Essen war er eingenickt und hatte vergessen, den Stecker wieder ‘reinzustecken.“
    „Also gut dann. Und was gibt’s Neues? Was hört man?“
    „Nichts. Nichts Besonderes. Was machst du?“
    „Ich? Ich friere. Ich zittere nach Wärme. Und bei euch – ist es da wärmer? Habt ihr noch was zu heizen? Hat es einen Sinn, daß ich Kohle kaufe, jetzt vor Sommer?“
    „Nun, wie du willst.

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