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Eis

Eis

Titel: Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kosch
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was bedeutet: erheblich früher, als man erwartet hatte – ist das Wohnraumproblem in unserer Stadt endlich erfolgreich gelöst worden. Mehr noch: Man kann sagen, der Plan wurde sogar übererfüllt. Heute gibt es Wohnraum im Überfluß – was man übrigens auch aus den Anzeigen in der Presse ersehen kann, wo das Angebot die Nachfrage bei weitem übersteigt. Der Erfolg ist um so größer, als gerade in dieser Periode, infolge der eingetretenen Wetterbedingungen, jede Bautätigkeit eingestellt werden mußte. Um nichts geringer ist der Erfolg, der in bezug auf Geschäftsräume erzielt werden konnte. Der Überschuß an Räumlichkeiten der öffentlichen Hand ist zur Zeit so groß, daß sich den Behörden die Frage stellt: Was tun mit ihnen? Auf Grund eines wissenschaftlichen Projekts, das vorläufig noch nicht veröffentlicht werden kann, besteht indessen die Aussicht, daß auch dieses Problem bald gelöst und der freistehende Raum nutzbringender Verwendung zugeführt sein wird.“
    Was dieses Projekt vorsah, sollte man aus der Presse nie erfahren, denn dieses war die letzte Ausgabe gewesen. „Infolge Papier- und Strommangels wurde das Erscheinen unseres Blattes eingestellt“, wurde mit großen, in die vereisten Fenster der Redaktion eingeritzten Buchstaben mitgeteilt.
    So wurden, ohne Zeitung, die Vormittage in den Büros vollends grau und farblos. Es gab keine Tauchsieder und Kochplatten zum Kaffeekochen mehr, und das angenehme Umblättern der Zeitungsseiten, wie daheim: die Beine weit unter den Tisch gestreckt, mehr ein Überfliegen als ein Lesen, mehr ein Lesen als ein Sichaneignen, in Wirklichkeit die Fortsetzung des frühmorgendlichen Schlummers –: auch das hatte aufgehört. Auch die Chefs saßen jetzt in gemeinsamen Räumen, beim Ofen oder auf den lauwarmen Heizkörpern, und die wenigen Parteien, die noch kamen, wurden sofort hereingeführt, ihre Eingaben wurden ihnen auf der Stelle aus der Hand genommen, ohne Aufschub erledigt und statt in das kalte Archiv direkt in den Ofen gesteckt. Wirklich, es war keine echte Befriedigung mehr, Beamter zu sein. Niemand war mehr da, über den man Macht ausüben, niemand, dem man zeigen konnte, was Macht war. Und das Beamtengehalt, klein und ungenügend, war jetzt schon zu gar nichts mehr nütze. Das Papiergeld wurde nur noch zum Feuermachen und Zigarettendrehn verwendet, die Münzen kamen statt Bleikugeln an die Angel.
    Genosse Plećasch, der gewesene Generaldirektor, nachdem er ohne Funktion und ohne Büro geblieben war, versuchte zunächst auch selbst, seine Wohnung über eine Anzeige zu tauschen, dann bemühte er sich, zuerst gewunden und diskret, dann immer offener, zu Krekićs zu ziehn, was diese in der gleichen Reihenfolge und in der gleichen Art zurückwiesen, wie er sich ihnen aufdrängte, und am Ende beschloß er, nach Hause zu schreiben.
    „Lieber Onkel Milo“, schrieb er nach Bijela bei Novi. „Also, endlich will ich mich bei Euch melden. Vielleicht habt Ihr es mir sogar verübelt, daß ich das in den fünfzehn Jahren, seit ich von Euch weg bin, nicht getan und sogar versäumt habe, auf Eure zahlreichen Briefe, zu antworten. Ich hoffe, Ihr werdet verstehn und begreifen, daß alles das gegen meinen besten Willen geschehen ist, infolge gewaltiger Inanspruchnahme durch wichtige Staatsgeschäfte, die mir, so ist es, die ganze zurückliegende Zeit keinen freien Augenblick gelassen haben, mich mir selbst und meinen Nächsten zu widmen. Darum bin ich sicher, daß Ihr mir das nicht verübelt oder falsch ausgelegt habt – als angebliche Entfremdung meinerseits von Euch und meiner Heimat. In Wirklichkeit hab ich die ganze Zeit mit großer Sehnsucht an Euch gedacht – und mit dem Wunsch, Euch zu treffen und als Euer Nächster und Vertrautester unter Euch zu sein, sobald meine Pflichten und Verpflichtungen dies zulassen. Ihr könnt nicht einmal ahnen, wie sehr es mir deshalb leid tat, daß ich unseren lieben Branko nicht bei mir aufnehmen konnte, an dessen Zukunft auch ich so sehr interessiert bin, denn ich weiß, daß er ein guter und fähiger junger Mann ist, dem man es ermöglichen müßte zu studieren. Ihr habt meine Ablehnung vielleicht falsch verstanden, weil ich Euch aus höheren Staatsgründen den wahren Grund meiner negativen Antwort nicht anvertrauen konnte. Dennoch – soviel ich mich erinnere, hab ich Euch über Onkel Pero ausrichten lassen, ,es ist eine kalte Zeit gekommen, in der sich jeder um sich selbst kümmern muß’, womit ich beiläufig schon

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