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Eis

Eis

Titel: Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kosch
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das Mädchen ging zum Bücherregal und griff sich den dicksten Band und legte ihn auf den Handteller, um sein Gewicht zu schätzen.
    „Was ist es? Was hast du genommen?“ fragte Krekić finster. Sie gab sich Mühe, beim Licht der Funzel den Titel zu entziffern. Sie begann zu buchstabieren.
    „Da sieht man’s“, tadelte er sie: „So viel Bücher hast du schon verbrannt und hast noch nicht anständig lesen gelernt. Äh, weißt du denn überhaupt, was aus dir werden wird? Bist du dir dessen bewußt, was für eine Wilde du ohne uns werden würdest? Was für eine elende, unkultivierte, vorgeschichtliche, primitive Wilde du werden würdest, wenn wir ein bißchen erfrören?“
    „Auf uns müssen Sie gut aufpassen“, fügte Frau Krekić hinzu und wollte noch sagen: Uns müssen Sie hüten wie das bißchen Wasser in der hohlen Hand, aber sie erinnerte sich, daß auch Vergleiche in der Eiszeit ihre Bedeutung verändert hatten, und sie sagte statt dessen: „Uns müssen Sie hüten wie das bißchen Glut in der hohlen Hand.“ Und fragte sogleich auf das liebenswürdigste: „Wie ist es, Suse, könnten wir noch heut abend zu Ihnen in die Küche ziehn? Schauen Sie, auch hier in diesem Raum lagert sich schon Eis ab, und bei Ihnen in der Küche ist es viel wärmer. Und auch für Sie war es doch schöner und kultivierter mit uns zusammen. Wir würden unsere ganze Bibliothek in die Küche übersiedeln und Ihnen zur Verfügung stellen.“
     
    Der Wintermorgen dämmerte träge herauf. Bleich und weit entfernt schleppte die Sonne sich hilflos über den eingenebelten Horizont. Das Menschengeschlecht, durchgefroren, schwarz geworden vor Kälte, in klägliche Lumpen gekleidet, schlüpfte langsam aus seinen Höhlen und trat in den weißen Schnee hinaus.
    Behaart, zottig, vor Kälte trampelnd, versammelten sie sich an den Straßenecken und lasen die Bekanntmachungen, die an die gewesenen Strommasten angeschlagen waren. Da stand geschrieben, in gleichmäßigen, monotonen Buchstaben, ohne Überschrift und Anrede:
    1. Da wir, nach allen der Wissenschaft zur Verfügung stehenden Angaben, aber auch nach der Wirklichkeit zu schließen, in eine längere Frost- und Winterperiode eingetreten sind, mit einem Fachausdruck Eiszeit genannt, und da weiter, den gleichen Angaben zufolge, keine Aussicht besteht, daß diese Periode vor dem Jahr 21 960 zu Ende gehen könnte, also nicht vor Ablauf von zwanzigtausend Jahren, was, wie bekannt, auch die allergrößte menschliche Lebenserwartung weit überschreitet, ist die Menschheit in ihrer Gesamtheit vor die Frage gestellt, wie sie die notwendigen Mittel für ihr Fortbestehen und ihre weitere Reproduktion sichern kann. Die Zahl der Erdbewohner hat sich unter den gegenwärtigen, veränderten Verhältnissen als allzu hoch erwiesen – und die zur Verfügung stehenden materiellen Quellen als ungenügend, eine derartige Anzahl von Menschen am Leben zu erhalten. Darum war es in deren eigenem, aber auch im Interesse der Gattung Mensch überhaupt unerläßlich, die eingetretene Lage kühl in Augenschein zu nehmen und kaltblütig Maßnahmen zu bestimmen, die dringend durchgeführt werden sollten. Die in letzter Zeit jäh angestiegene Sterblichkeit spricht an und für sich schon von der Bedeutung und Dringlichkeit dieser Maßnahmen, zu gleicher Zeit aber bietet sie die natürlichste Grundlage, von der man bei der Verwirklichung der Maßnahmen ausgehen sollte.
    2. Alle bisher unternommenen Maßnahmen, das frühere Klima zu erhalten und den Frost der Eiszeit zu zerschlagen, haben leider, trotz gewaltiger investierter Mittel, das gewünschte Resultat nicht gebracht – aus objektiven Gründen, versteht sich, die außerhalb unserer Macht liegen. Das gilt für den erhitzten, mit Hochspannung geladenen Stacheldraht an den Grenzen, für die tiefen Gräben und Wolfsgruben, für die Radars und andere Strahlungsgeräte auf den Gipfeln der Berge – wie auch für die Bemühungen, das Produktionsniveau an Kohle, Getreide und anderen Lebensmitteln zu erhalten.
    3. Nach alledem, Aug in Aug mit dieser Situation, bleibt uns nur eines zu tun – die letzte Möglichkeit, die wir, so schwer uns das auch fallen mag, in uns selbst suchen müssen. Wenn es uns nicht gelungen ist, die äußeren Bedingungen zu verändern, was bleibt uns da übrig, als uns der Eiszeit zu beugen und kalt, unbarmherzig den Schluß zu ziehen: Der einzige Ausweg besteht darin, daß die Reihen der Menschheit schnellstens gelichtet werden.
    4. An und für sich

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