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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Nase.«
    Anna bricht zusammen. Sie schluchzt auf und lässt sich fallen.
Gellert packt sie am Oberarm und verhindert dadurch, dass sie wieder auf dem
Boden aufschlägt.
    Christian wirft sich in seiner Fesselung hin und her. Seine Augen
sind weit aufgerissen. Christian hat schreckliche Angst. Er weiß nicht, um wen
er mehr Angst hat. Um sich oder um Anna.
    Anna steht vor dem OP-Tisch und sieht Christian an. Sie sieht
seine Angst. Sie weiß nicht, ob er Angst um sich hat oder Angst vor ihr. Anna
hat Angst vor sich selbst. Anna nässt sich ein. Anna will sterben, sie will auf
der Stelle sterben.
    Pete rannte vom Dachboden hinunter ins Hochparterre.
    Â»Herd!«, schrie er. Eberhard kam aus der Küche, wo er bei der
Spurensicherung half. Pete lief an ihm vorbei zur Kellertür. »Daniel hat
angerufen! Der Vorbesitzer des Hauses hat in den Fünfzigern einen
Luftschutzkeller unter dem Grundstück einbauen lassen. Es muss einen Geheimgang
vom zweiten Kellerraum links geben.«
    Eberhard hastete hinter Pete her. »Da ist der Weinkeller. Alles
voller Regale!« Abrupt hielt Eberhard inne, während Pete schon auf der
Kellertreppe war. Eberhard rannte zum Fenster. Draußen suchten die
Streifenpolizisten das Grundstück ab.
    Â»Alles in den Keller! Bringt Spitzhacke, Hammer, Brecheisen, egal,
was, alles!«, schrie Eberhard hinaus. Dann sprintete er Pete hinterher.
    Gellert geht auf die rechte Seite des OP-Tisches.
Er legt seine rechte Hand auf den Schalter für die Elektroschocks. Mit der
linken reicht er Anna über den Tisch und Christian hinweg ein Skalpell.
    Â»Jetzt pass schön auf, Anna. Wenn du mit dem Skalpell auf mich
losgehst, bekommt dein Freund hier einen Stromstoß, der ihm das Hirn
wegschmort, klar? Er wird tot sein, bevor du um den Tisch herum bist. Du kannst
es natürlich riskieren. Wenn du eine Chance siehst, dich dadurch zu retten … Du
musst ihn nur opfern. Es ist ganz einfach. Kannst du das?«
    Anna schüttelt den Kopf. Sie kann nicht mehr sprechen, sie kann ihre
Hände nicht mehr kontrollieren, die zittern zu sehr, sie hat ihren Körper nicht
mehr unter Kontrolle, ihre Gedanken nicht, sie kann nicht mehr geradeaus sehen,
sie kann Christian nicht mehr sehen, sie kann Gellert nicht mehr sehen, sie ist
nicht mehr sie selbst, sie hat Angst, sie ist Angst.
    Gellert sieht das alles, er kennt es, es freut ihn. »Du glaubst, du
kannst es nicht tun. Aber ich versichere dir, du kannst. Und du wirst. Fang an!
Schneide ihm den kleinen Finger der rechten Hand ab!«
    Wie in Trance geht Anna zum Tisch. Sie hat das Skalpell in der
rechten Hand. Sie hat es ungelenk in der Hand wie ein Kleinkind. Anna weiß, das
ist nicht ihre Hand, die sich jetzt hebt, plötzlich ganz ruhig, und sich
Christians Hand nähert, die festgeschnallt ist und nur ein wenig bebt. Anna
sieht Christian in die Augen. Sie ist jetzt ganz ruhig, und sie versteht nicht,
warum Christians Augen in einem Meer aus Angst schwimmen. Sie tut ihm doch
nichts.
    Pete geht hektisch und konzentriert die Weinregale ab. Er
sucht nach Zeichen für eine verborgene Tür. Er fährt mit den Fingern über
Holzleisten, zieht wahllos Flaschen heraus. Seine Bewegungen sind fahrig.
Eberhard wütet auf der anderen Seite des Weinkellers wie ein Berserker. Er
nimmt sich nicht die Zeit für feinmotorische Untersuchungen der Regale. Keine
Zeit, um einen versteckten Hebel oder einen sonstigen Mechanismus zu finden. Er
nimmt Hacke, Brecheisen und die bloßen Hände, um ein Weinregal nach dem anderen
umzustoßen und zu sehen, ob dahinter eine Tür ist. Erdiger Alkoholdunst aus
zersprungenen Flaschen vornehmlich französischen Rotweins füllt das
Kellergewölbe.
    Die Hand hebt das Skalpell. Gellert leckt sich gierig die
Lippen. Anna sieht auf die Hand, auf diese fremde Frauenhand, die ein Skalpell
hält, das sich der Männerhand nähert. Sie sieht die fünf Finger ganz scharf,
sie sieht das Metall blitzen, sie sieht die Schneide, die sich auf die leicht
gebräunte Männerhaut setzt, sie sieht den kleinen Finger, der unter dem
blitzenden Metall plötzlich noch brauner wirkt, da wachsen ein paar schwarze
Härchen, zwei davon werden beiläufig vom Skalpell durchtrennt und rutschen
seitlich vom Finger, alles unglaublich scharf, in Großaufnahme, in Zeitlupe,
der Edelstahl, der sich noch einen Millimeter an die Haut bewegt, die Poren der
Haut, jede einzelne ganz deutlich zu

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