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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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liegen.
    Gellert ist mit einem Schritt bei ihr. Er packt in ihre langen
braunen Haare und zerrt sie hoch.
    Anna schreit auf.
    Christian wehrt sich vergeblich gegen seine Fesseln.
    Gellert reißt Anna das Unterhemd und den Büstenhalter vom Leib. Er
beißt ihr in die Brustwarze, bis sie blutet. Anna schlägt mit beiden Fäusten
auf ihn ein. Sie weint. Sie stirbt ein wenig mehr.
    Gellert lässt sie los. Er lacht.
    Â»Schmerz funktioniert vollkommen autonom von kulturellen
Bedingungen. Das macht ihn für mich so interessant. Ich erforsche das menschliche
Geheimnis jenseits der Gesellschaft. Und ihr dürft mir heute dabei helfen.«
    Gellert reicht Anna ein Schälchen mit Salz. »Das reibst du jetzt in
die Schnittwunden deines Freundes.«
    Anna weicht einen Schritt zurück. Die Scham über ihre Nacktheit hat
sie vergessen. Sie starrt Gellert fassungslos an.
    Â»Glotz nicht so blöd. Wenn du es nicht tust, dann …«
    Gellert verpasst Christian einen weiteren Stromstoß. Christian
schreit laut auf, lauter als vorher. Sein Körper krümmt und bäumt sich heftiger
als vorher.
    Â»Stufenlos regelbar«, grinst Gellert.
    Â»Tu es«, fleht Christian Anna an.
    Â»Ich kann nicht.«
    Ein Stromstoß. Christian schreit. Christian fleht Anna an.
    Anna tritt an den OP-Tisch. Sie nimmt Salz aus dem Schälchen und
betupft damit eine von Christians Wunden. Christian beißt die Zähne zusammen,
Anna hört die Zähne knirschen. Anna wimmert und weint.
    Â»Nicht tupfen, reiben«, befiehlt Gellert.
    Anna reibt. Christian knirscht und stöhnt.
    Gellert tritt hinter Anna und zieht ihr einen Lederriemen quer über
den Rücken. Annas Haut platzt auf. Sie schreit und stürzt hin.
    Â»Dein … Ich … wird … erschüttert …,
und … ich … entledige … mich … meiner … gesellschaftlichen … Natur.« Mit jedem Wort
versetzt Gellert Anna einen Hieb mit dem Lederriemen.
    Anna kriecht auf dem Boden. Sie kommt nicht vorwärts. Sie bewegt
sich nur. Aber sie kommt nicht vom Fleck. Es ist wie in einem Traum. Vielleicht
träumt sie nur? Ja, das muss es sein, denkt sie, sie träumt das alles nur.
    Christian schreit wie im Spieß: »Hören Sie auf! Hören Sie auf! Sie
sind ja wahnsinnig!«
    Gellert lässt den Lederriemen fallen und bringt sein Gesicht ganz
dicht vor Christians Gesicht, Nasenspitze an Nasenspitze: »Nicht wahnsinnig.
Nur entgrenzt. Frei mithin. Aber so viel Distinktion kann ich von einem
einfachen Bullen vermutlich nicht erwarten. Bleiben wir auf dem begrifflichen
Teppich. Wie findest du dieses immense Gefälle von Macht und Ohnmacht?«
    Christian spuckt Gellert ins Gesicht.
    Gellert lacht. Er zerrt Anna wiederum an den Haaren vom Boden hoch.
Anna linst zur Metallkommode. Dort liegt Christians Pistole. Gellert folgt
ihrem Blick und lächelt.
    Â»Du denkst noch, Anna. Du kannst noch denken. Dann wollen wir jetzt
mal richtig loslegen. Ich werde das, was denkt, zertrümmern. Du wirst nur noch
fühlen. Nichts als Schmerz fühlen. Bis du nichts mehr bist als Schmerz. Und
übrig von dir bleibt die Faktizität des Körperlichen in der Formlosigkeit von
Schmerz. Sonst nichts.«
    Gellert schubst Anna an den OP-Tisch, auf die linke Seite, wo die Schränke
stehen. Die Pistole liegt auf der rechten Seite, weit weg von Anna.
    Â»Du kennst sicher das Milgram-Experiment.«
    Anna schlägt mehr mit dem Kopf auf und ab als dass sie nickt. Sie
hat beide Arme um ihren Oberkörper geschlungen und bedeckt so ihre Brüste. Sie
friert und schwitzt dabei.
    Â»Erklär’s ihm«, sagt Gellert.
    Â»Das Milgram-Experiment«, beginnt Anna stockend, »wurde in den
Sechzigern an der Stanford Universität in den USA von Stanley Milgram
durchgeführt. Es belegt, dass etwa drei Viertel der Durchschnittsbevölkerung
durch eine vermeintliche Autorität dazu gebracht werden können, einen ihnen
unbekannten, unschuldigen Menschen zu foltern. Oder sogar zu töten.«
    Â»Sehr schön zusammengefasst«, lobt Gellert in professoralem Tonfall.
»Wir werden den Versuchsaufbau ein wenig abwandeln. Ich bin die Autorität. Anna,
deine Aufgabe ist es, dem Bullen hier einen Finger nach dem anderen
abzuschneiden. Dann die Ohren. Dann die Nase. Wenn du es nicht tust, wirst du
bestraft. Indem ich dir die Finger abschneide. Und die Ohren. Und die

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