Eiskalt Wie Die Suende
strich ihr das Haar aus dem Gesicht, das an ihren tränenfeuchten Wangen klebte. Im blassen Mondschein lagen seine Augen in tiefen dunklen Schatten, doch seine Haut schimmerte silbrig hell, wodurch die blauen Flecken und die dunkel verschorfte Schürfwunde in seinem Gesicht umso deutlicher hervortraten. Nell sog seinen vertrauten Geruch in sich auf, versuchte, ihn für immer in ihrer Erinnerung zu bewahren â Bay-Rum-Seife, warme Haut und ein leichter Hauch von Tabak. Er musste geraucht haben, wahrscheinlich vorhin, als er sich in die Bibliothek seines Vaters zurückgezogen und den Brief geschrieben hatte.
Sanft tupfte er ihr Gesicht mit einem Zipfel der Bettdecke ab, lieà dann seinen Kopf sinken, bis seine Stirn auf der ihren ruhte. Sie hörte ihn schlucken. Ein kleiner warmer Tropfen fiel auf ihr Augenlid und rann ihre Schläfe hinab.
Sie streckte beide Arme nach ihm aus, zog ihn an sich, und ihre Münder fanden sich mit einer solch natürlichen Selbstverständlichkeit, einer solch innigen Leidenschaft, als hätten sie sich schon unzählige Male geküsst und nicht erst einmal â bei einem anderen verzweifelten Abschied, der gerade einmal ein halbes Jahr zurücklag. Der Kuss nahm ihr den Atem, beraubte sie ihrer Sinne. Die Welt, mit all ihren Konventionen und Erwartungen, löste sich in nichts auf, bis es nur noch sie beide gab. Hier, in diesem Bett.
âIch sollte besser gehenâ, sagte er mit leiser, heiserer Stimme, seine Hände in ihrem Haar vergraben.
âNein, geh nicht.â Kaum hörbar war sie, ihre Bitte, und ausgesprochen, noch ehe Nell wusste, was sie sagte.
Mit suchendem Blick sah Will sie an. Seine Augen glänzten dunkel.
Sie holte tief Luft, zwang sich, ihre Worte zurückzunehmen, auf ihren Verstand zu hören und nicht auf ihre Gefühle, vernünftig zu sein, doch als sie wieder ausatmete, flüsterte sie aus tiefstem Herzen: âBleib bei mir.â
â ENDE â
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