Eiskalte Hand (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
nicht von der ehemaligen Straße abzukommen. Meter um Meter ging es voran. Stunde um Stunde. Langsam wurde es dunkel. Zumindest gingen sie davon aus; denn so tief im Wald war die Sonne nicht mehr zu erkennen. Und auch sonst fiel kaum Licht hinein.
Dann endlich erreichten sie ihr Ziel. Mit einem Mal wurde der Wald etwas weniger dicht und sie betraten eine kleine Lichtung. Mitten darauf stand das Anwesen, von hohen hellgrauen Mauern umgeben. Was dahinter lag, konnten sie nicht erkennen. Es hatte fast den Anschein, als traute sich auch der Wald nicht so recht an das Anwesen heran. Nur einige mutige Schlingpflanzen rankten an den Mauern hoch und ließen sie wie überdimensionierte Hecken erscheinen. Auf der rechten Seite entdeckte Mia ein Tor in der Mauer. Vorsichtig gingen die beiden näher heran. Und jetzt konnte auch Mia es spüren. Da war irgendetwas. Sie konnte es nicht genau beschreiben oder gar lokalisieren. Aber es fühlte sich alles andere als gut an. Böse? Sie war sich nicht sicher. Aber auf jeden Fall gefährlich. Jetzt verstand sie auch Fu Dang und seine Angst. Ein Blick auf Doran Zi zeigte ihr, dass es ihm ähnlich erging. „Das ist mächtig.“, sagte er mit einer gehörigen Portion Ehrfurcht in der Stimme. Mia nickte einfach nur.
Ganz langsam und vorsichtig schritten sie jetzt auf die Mauer zu. Bestimmt drei Meter hoch ragte sie vor ihnen auf. Mia staunte, dass trotz des Pflanzenbewuchses kein bisschen Mörtel herausgebrochen war. Die Steine wirkten, als seien sie kürzlich erst verbaut worden. Doran Zi streckte, seine Hand aus, um über die Oberfläche der Mauer zu streichen. Doch noch bevor er sie tatsächlich berühren konnte, manifestierte sich aus dem Nichts ein bläulicher Blitz, fuhr in seine Fingerkuppen und von dort aus den Arm hoch. Ein heftiger Ruck, und der alte Mann flog im hohen Bogen durch die Luft. Unsanft schlug er rücklings auf dem Waldboden auf. Ein schmerzvolles Stöhnen drang aus seinem Mund. Nachdem Mia sich von dem Schrecken erholt hatte, lief sie schnell zu Doran Zi herüber und beugte sich zu ihm nach unten. „Seid ihr in Ordnung?“, fragte sie ihn besorgt. Der alte Mann verdrehte die Augen. Vorsichtig bewegte er Arme und Beine, rollte seinen Oberkörper langsam hin und her. „Scheint als habe ich mir nichts gebrochen.“, stellte er mit leicht gepresster Stimme fest und wollte sich aufrichten. Doch ein stechender Schmerz in der Brustgegend ließ ihn augenblicklich wieder niedersinken. „Verdammt!“, schrie er laut. „Bleibt liegen!“, übernahm jetzt Mia das Kommando. Mit geübten Bewegungen tastete sie seinen Brustkorb ab. Soweit ich es erkennen kann, ist da nichts gebrochen. Aber vermutlich habt ihr einige Prellungen erlitten. Das ist erfahrungsgemäß recht schmerzhaft. Und was zur Hölle war das überhaupt?“ Fast schon vorwurfsvoll schaute sie den alten Mann an.
„Ich schätze mal“, gab der mit immer noch schmerzverzerrtem Gesicht zurück, „wir haben soeben den Schutzzauber aktiviert. Ziemlich effektiv, wenn du mich fragst.“ „Oh ja“, gab Mia zurück, „aber wie kommen wir da jetzt rein?“ „Es wird schon einen Möglichkeit geben. Wir müssen nur genau suchen. Hilf mir jetzt bitte hoch, dann können wir uns die Situation noch einmal genauer anschauen.“ Unter erheblichem Stöhnen und Fluchen kam Doran Zi wieder auf die Beine. Mit zittrigen Fingern holte er eine kleine Flasche aus der Manteltasche und trank daraus. „Das sollte den Schmerz etwas lindern.“, kommentierte er. Und in der Tat bekam er fast gleichzeitig wieder mehr Farbe in sein blass gewordenes Gesicht.
Auf Mias Schulter gestützt gingen sie einmal um das Anwesen herum. Als sie das Tor passierten, hatte Mia für einen kurzen Moment ein sonderbares Gefühl. Doch sie schob es für den Moment beiseite. An der Mauer gab es keine Auffälligkeiten. Keine Lücke. Nicht einmal ein kleines Loch oder dergleichen. Sie stand fest und sicher. Nach einer weiteren Runde erreichten sie wieder das Tor. Und exakt das gleiche Gefühl wie zuvor beschlich sie. Das konnte doch kein Zufall sein. Sie blieb stehen, bedeutete Doran Zi, dass sie alleine weitergehen würde und näherte sich mit unsicheren Schritten dem Tor. Jede Sekunde darauf gefasst, ebenfalls von dem erbarmungslosen Blitzschlag getroffen zu werden. Doch nichts geschah. Schließlich stand sie unmittelbar vor dem Tor. Die beiden hölzernen Torflügel waren genauso gut erhalten wie die Mauer auch. Als hätte man sie gestern erst
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