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Eiskalte Hand

Eiskalte Hand

Titel: Eiskalte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Muther
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erwidern. „Was führt dich zu uns, Kind?“, hob Ru Tan erneut an, als er merkte, dass Mia ins Stocken geriet. Bewusst vermied er das Wort „Schwester“. Mit einer einladenden Geste bedeutete er ihr, auf einem Sitzkissen Platz zu nehmen. Dankbar nahm sie an. Noch ein paar weitere Sekunden, um sich innerlich zu sammeln. „In letzter Zeit ist viel geschehen. Ich habe Hinweise erhalten, die meine Herkunft, meine Wurzeln betreffen. Alles scheint sehr verworren. Nichts ist wirklich klar. Und nun möchte, nein, muss ich mehr darüber herausfinden. Ich brauche Antworten.“, antwortete Mia, nachdem sie sich hingesetzt hatte. „Woher stamme ich? Wer sind meine Eltern? Wer hat mich hierher ins Kloster gebracht? Was hat er damit beabsichtigt? Was wollen die jetzt von mir? Und wer verfolgt mich?“ Die junge Frau überschlug sich fast, während sie redete. Von Beherrschung keine Spur. „Das sind ganz schön viele Fragen auf einmal.“, erwiderte der Ordensmeister nach einem Moment des Schweigens. „Vielleicht gehen wir die Sache etwas langsamer und systematisch an.“ Seine sanfte, ruhige Art übertrug sich auch auf Mia. Allmählich wurde sie etwas ruhiger. „Ihr habt Recht, Meister. Seht ihr eine Möglichkeit, mir zu helfen und ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen?“ Ru Tan nickte bedächtig mit dem Kopf. „Ich selbst war vor fünfundzwanzig Jahren noch zu jung, um mich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen. Mit Neuankömmlingen hatte ich nichts zu schaffen. Aber du erinnerst dich vielleicht noch an den alten Pai Pey.“, sagte er dann leicht fragend. Mia brauchte nicht lange zu überlegen. „Der Archivar?“, fragte sie freudig zurück, „Den gibt’s noch?“
     
    Pai Pey war schon zu Mias Kindertagen ein alter Mann – zumindest in den Augen eines Kindes. Der große, schlanke Mönch mit dem immer lächelnden Gesicht und dem langen weißen Bart hielt sich die meiste Zeit über in den Räumen des Archivs auf. Und dort hatten die allermeisten anderen keinen Zutritt. Manchmal allerdings suchte er nach Gesellschaft und verließ die Einsamkeit der Akten und Bücher. Für die Kinder hatte er immer ein freundliches Wort und meist auch eine Kleinigkeit zum Naschen übrig. Und noch wichtiger: Er gehörte zu den wenigen im Kloster, die auch mal ein Auge zudrückten, wenn mal wieder eines von ihnen Unsinn angestellt hatte. Das passte zwar nicht zu der harten und emotionslosen Ausrichtung, die den Pfad des Drachens bestimmte, aber selbst die Erwachsenen sahen es dem freundlichen Alten nach. Er durfte das. Erst später hatte Mia registriert, welch immenses Wissen der alte Archivar vermutlich bei sich angehäuft hatte. Er verwaltete so viele Schriften, arbeitete täglich damit. Da musste er geradezu ein wandelndes Lexikon sein. Mia freute sich aufrichtig, Pai Pey wiederzusehen. Zugleich spürte sie erneut Nervosität in sich aufsteigen. Wenn jemand hier im Kloster etwas über ihre Herkunft wissen konnte, dann definitiv der Archivar.
     
    „Du erinnerst dich.“, las Ru Tan in Mias Gesicht und nahm somit den Gesprächsfaden wieder auf. „Ich lasse dich zu Pai Pey bringen. Allerdings vermag ich nicht zu sagen, ob er dir wirklich helfen kann. Ich wünsche es dir aber von Herzen.“ Bei diesen Worten griff er nach einem kleinen Glöckchen, das neben seinem Sitzkissen stand und läutete es. Nur wenige Sekunden später trat die junge Frau auf den Balkon, die Mia am Morgen geweckt hatte. Sie verbeugte sich tief vor ihrem Meister. Ru Tan deutete mit dem Kopf in ihre Richtung, während er mit Mia sprach. „Sheila hast du ja bereits kennengelernt.“ Dann wandte er sich direkt an die junge Frau: „Bringe bitte unseren Gast zu Pai Pey. Er möge ihr alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantworten. Das ist mein Wille.“ Erneut verbeugte sich Sheila und wartete darauf, dass Mia sich erhob. Nachdem diese sich von Meister Ru Tan verabschiedet hatte, setzte sie sich in Bewegung. „Wenn ihr mir bitte folgen möchtet.“
     
    Die Archive lagen in den unteren Gefilden des Klosters. Von einem Keller zu sprechen erschien angesichts der Lage hoch auf einem Berg zwar merkwürdig, dennoch entsprach das Ambiente tatsächlich genau dem eines tiefen dunkeln Kellers. Durch fenster- und schmucklose Flure führte Sheila Mia bis an eine schwere Eichentür, die mit einem bronzenen Klopfer in Form eines Drachenkopfes versehen war. Einen Augenblick sammelte sie sich. Dann griff sie danach und betätigte ihn. Das Pochen hallte laut durch den

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