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Finale Mosel

Finale Mosel

Titel: Finale Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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    Gleich würde er in das dunkle Haus eindringen und seine verhasste Mutter töten. Endlich konnte er seinen Vater rächen. Tiefenbachs Wahrnehmung bestand nur noch aus Herthas Stimme und dem Ton, der tief in ihm auf seinen Einsatz wartete. Schweißperlen liefen ihm über die Stirn die Schläfen entlang in den Bart. Er blendete die Horde aus, die laut quiekend nebenan den Hang hinunterrutschte.
    »Ruhe da drüben!«, brüllte Kehlheim in Richtung der Schulklasse.
    Wieder hatte der Regisseur die Szene mit dem Kniefall unterbrochen. Tiefenbach hatte es geahnt. Er trug einen schweren, bodenlangen Soldatenmantel über den Knieschonern, um sie vor den hartnäckigen Paparazzi zu verbergen. Diese waren sicher wieder da und belauerten ihn auch jetzt von irgendeinem schattigen Plätzchen im weiten Rund der mit Mauern terrassierten und von Gewölbestollen durchlöcherten steilen Hänge des Amphitheaters. Das satte Grün der Wiesen wirkte, als seien sie mit Samt bespannt.
    Die abgeschrägte Bühne stand im Schein der Nachmittagssonne. Für den Weinberg am Hang darüber war das sicher nützlich, aber hier unten saugten sich die römischen Mauern voll mit Hitze und hielten sie gnadenlos im Trichter des Amphitheaters fest.
    Zum fünften Mal in Folge stürzte der Diener herbei, warf sich vor Tiefenbach in den Staub, küsste seine Stiefel und lief wieder davon.
    »Das war alles, nur nicht lautlos!« Während Kehlheim wie von einer Sprungfeder getrieben aus seinem Regiestuhl hüpfte, riss er sich den Strohhut vom Kopf. »Lautlos!« Er brüllte das Wort mit Betonung auf der ersten Silbe. Die Schüler, die sich inzwischen in respektvollem Abstand zur Bühne um ihre Lehrerin geschart hatten, starrten interessiert herüber.
    Tiefenbach blieb äußerlich unbewegt. Nur der Schweiß tropfte aus seinem Bart auf den Stuhl, vor dem er kniete. Den brauchte er nach drei Knieoperationen als Stütze. Die vordere Holzleiste des Sitzes drückte gegen seine Schenkel, wobei er seine Brust über den Sitz gegen die Rückenlehne presste und es vermied, das glühend heiße Metallgestell mit den Händen zu berühren. Der Diener war wieder herbeigeeilt und wieder abgetreten. In Socken war er über den blechernen Boden, auf dem man Spiegeleier hätte braten können, geschlichen.
    In Herthas Züge kehrten die Verwirrung und der Taumel zurück. Tiefenbach durfte nicht an die Regieanweisung denken, sonst wäre seine Konzentration dahin gewesen. Fieberhaft! Er gab sich seiner Schwester Elektra zu erkennen, hörte, wie Hertha auf ihre ganz besondere Weise ihn, Orest, rief, antwortete ihr und lauschte dann den ersten beiden Sätzen seiner Kollegin und der matten Klavierbegleitung. Die Orchestermitglieder waren lange vor Ende der Generalprobe verschwunden. Ab dreißig Grad schob der Personalrat allen Aktivitäten einen Riegel vor. Abgesehen von den Musikern hätten die Streichinstrumente bei diesen Temperaturen Schaden genommen. Über allem lag die Summe der Geräusche der Stadt: Stimmen, Türenschlagen, Motorengebrumm, Reifenquietschen, Eisenbahngeratter, verdichtet zu einem stetigen unheilvoll klingenden Rauschen wie die Fluten eines gebrochenen Staudamms.
    »Danke, wunderbar!« Kehlheim hatte sich wieder von seinem Stuhl erhoben und verbeugte sich höflich. Er versuchte große Zuversicht in ein Lächeln zu legen, das ein Regisseur seinen Stars wenige Stunden vor der Premiere zeigen konnte. Gleichzeitig presste er sein Handy ans Ohr, um den Flugwetterdienst zu hören. Mit einem ängstlichen Blick zum Himmel eilte er in Richtung der Tribüne davon.
    »War’s das schon?« Markus kam herbeigeeilt. Er hatte im Schatten eines der Bögen, die zu den Kammern führten, gewartet, da, wo einstmals wilde Tiere oder ihre menschlichen Opfer vor dem Kampf gefangen gehalten worden waren. Der ignorante Kehlheim hatte es noch nicht einmal für nötig befunden, ihm zu sagen, dass er nicht mehr gebraucht wurde. Markus hatte umsonst auf seinen Einsatz gewartet. Tiefenbach sah ihm die Enttäuschung an, obwohl der Sänger lässig tat und abwechselnd aus dem dünnen Mundstück seiner Trinkflasche trank oder sich das Wasser wie ein Marathonläufer über das gewellte schwarze Haar goss. Er folgte seinen Kollegen Hertha und Markus die schmalen Treppenstufen hinauf unter dem niedrigen Gewölbe hindurch zu dem Weg, der oberhalb der Arena in einen kühlen Tunnel im Hang führte. Tiefenbach hatte den Stuhl mitgenommen und stellte ihn nun mit Schwung auf den lehmigen Boden, den die

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