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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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könnte schnell nach Hause und eine holen, ich wäre in zwanzig Minuten wieder da.«
    »In spätestens fünf Minuten ist unser Freund abgetaucht«, sagt der Faller. »Der rechnet sich doch aus, dass wir die Polizei informieren. Und wenn er schon mit uns nichts zu tun haben will, dann wartet er doch sicher nicht, bis die Kollegen da sind.«
    Wir laufen durch die Glashüttenstraße in Richtung Heiligengeistfeld. Der Faller bringt mich noch nach Hause, und dann beenden wir den Tag. Es reicht für heute. Das ist uns beiden klar, ohne dass wir es aussprechen müssen. Aber je näher wir dem Heiligengeistfeld kommen, umso langsamer wird der Faller. Er denkt nach, das merke ich.
    »Hier stimmt was nicht, oder?«
    »Hier stimmt was ganz gewaltig nicht«, sage ich.
    »Zwei zusammengeprügelte Männer in zwei Tagen«, sagt der Faller. »Rufen Sie doch mal den Calabretta an. Die Kollegen auf der Wache sind dünn besetzt und haben ja immer genug zu tun. Vielleicht können Sie unsere Jungs von der Mordkommission dazu bringen, die Stadtteilpolizei ein bisschen zu unterstützen.«
    Süß. Der Faller betrachtet die Kommissare Calabretta, Brückner und Schulle immer noch als seine Jungs. Wie er zu Kommissar Inceman steht, weiß ich nicht. Ich weiß ja nicht mal, wie ich selbst zu dem stehe.
    »Ich sehe ihn sowieso heute Abend«, sage ich. »Der Brückner und der Schulle feiern ’ne Party. Waren Sie da nicht auch eingeladen?«
    »Ach ja, stimmt«, sagt er, »hab ich vergessen. Solche Sachen sind nichts mehr für mich. Da komm ich mir vor wie ein Opa zwischen euch jungen Leuten.«
    Junge Leute. Haha.
    Der Faller bleibt stehen.
    »Moment mal.«
    Er geht in die Hocke und wischt mit den Händen den Schnee zur Seite. Der Schnee hat rote Punkte.
    »Blut?«
    »Vielleicht«, sagt der Faller und riecht an seinen Fingerkuppen.
    Ich gehe ein paar Schritte weiter, die Blicke auf den Boden geklebt.
    »Hier auch«, sage ich.
    Diesmal können wir es sogar sehen, ohne in die Hocke zu gehen. Es ist nicht viel Blut, immer nur ein paar Tröpfchen, alle paar Meter.
    »Was glauben Sie, Faller?«
    Er zündet zwei Zigaretten an und gibt mir eine davon.
    »Wenn das nicht unser Mann aus der Hofeinfahrt hier verloren hat, fress ich’n Besen.«
    »Tröpfchenweise? Sieht eine Blutspur nach einer Prügelei nicht ein bisschen verwischter aus? Als würde man was hinter sich herziehen?«
    »Ja«, sagt der Faller. »Es sei denn, der, der blutet, wird getragen. Dann sieht’s genau so aus.«
    Ein Mann, der getragen wird. Da muss ich immer an Daniel van Buyten denken, wie der mal einen verletzten Mannschaftskameraden vom Platz getragen hat, als er noch beim HSV war. Das sah unglaublich aus. Der erwachsene Mann in seinen Armen wirkte so leicht und zerbrechlich. Und van Buyten wie der stärkste Mann der Welt. Seitdem ist der Belgier mein heimlicher Held in der Bundesliga. Aber wirklich sehr, sehr heimlich. Wegen dem HSV und dem FC Bayern München.
    »Oder er wurde gefahren«, sage ich. »Der Schnee ist voller Fahrradspuren.«
    »Der Großstadtschnee ist immer voller Fahrradspuren«, sagt der Faller. »Häuptling Dunkle Stirnwolke.«
    Ich zeige ihm die Zähne, hole mein Telefon raus und rufe die Kollegen vom Kommissariat in der Lerchenstraße an. Ich erzähle ihnen, was wir gesehen haben. Die sollen sich die Blutspuren mal ankucken. Und einen Streifenwagen durch die Marktstraße schicken, der sorgfältig in die Hauseingänge leuchtet.
    *
    Das Kurhotel liegt ziemlich genau in der Mitte der Großen Freiheit und ist ein winkeliger Ort. Drei kleine Stockwerke, verbunden durch schäbige, waghalsige Treppen, ganz obendrauf stehen noch vier Quadratmeter Dachterrasse. Mit Fangnetz, damit keiner in den Hinterhof springt. Oder sich über die Dächer der Großen Freiheit auf zur Kleinen Freiheit macht, was ja schon eine reizvolle Vorstellung ist. Der Faller hat mir vor Jahren erzählt, dass das Kurhotel ganz früher mal eine Transenbar war. Ein alter Sankt-Pauli-Klassiker. Jetzt kann man den Laden für Partys mieten. Ich war hier zwischendrin mal mit Klatsche, da war das noch so eine Art Club. Wir lagen auf ranzigen Sofas, hörten düsteren Hip-Hop und wussten nicht so richtig was mit uns anzufangen. Danach sind wir dann zum ersten Mal gemeinsam in meinem Bett gelandet.
    Ich mache mir fix einen Knoten in die Haare, denn ich habe das Gefühl, mich ordnen zu müssen.
    An der Treppe zum ersten Stock stehen der Schulle und der Brückner und begrüßen ihre Gäste. Sie haben ihre

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