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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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Gastgeber«, sagt er, springt von seinem Hocker und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Sein struppiges dunkelblondes Haar ist einen Tick länger als sonst. Müsste mal wieder geschnitten werden. Er streicht sich eine Strähne nach hinten und versucht, sie sich hinters Ohr zu klemmen, aber es funktioniert nicht. Die Strähne fällt dick über seine Stirn und verdeckt sein linkes Auge. Das rechte ist frei und blitzt mich an, moosgrün und herausfordernd.
    »Hab mich schon gewundert, dass die Tür auf ist«, sage ich. »Eigentlich geht’s doch erst in einer halben Stunde los, oder?«
    »Rocco, die alte Pappnase«, sagt Klatsche. »Der hat wieder nicht abgeschlossen, als er die Zigaretten für heute Abend kaufen gegangen ist.«
    Die Jungs haben da was ganz Freundliches gemacht in der Blauen Nacht: Man kann an der Theke Zigaretten kaufen, wie in einem Kiosk. Das spart eine Menge lausigen Automatenterror. Man muss halt mit dem vorliebnehmen, was Rocco in total willkürlicher Auswahl rangeschleppt hat, aber darüber hat bisher noch keiner gemault. Ist auch wirklich nicht das Wichtigste, wenn man zum Bier dringend eine Zigarette rauchen möchte, aber gerade keine mehr zur Hand hat.
    Klatsche geht zur Tür und schließt ab. Ich finde es immer lustig, ihn eine Tür abschließen zu sehen. Bevor er die Blaue Nacht wiederbelebt hat, war es schließlich seine Kernkompetenz, Türen zu öffnen. Erst als sportlicher Einbrecherkönig, dann als lokale Schlüsseldienstgröße. Türen abschließen, das passt einfach nicht zu Klatsche. Ich muss grinsen.
    »Was?«, fragt er, kuckt mich streitlustig an und versucht noch mal, diese eine Haarsträhne zu bändigen. Diesmal funktioniert es.
    »Nichts«, sage ich. Keine Lust, mich mit ihm zu kabbeln. »Krieg ich was zu trinken?«
    »Bier oder Wodka?«, fragt er.
    »Bier«, sage ich und zünde mir eine Zigarette an.
    Er schlüpft hinter die Theke, holt zwei Flaschen Astra aus dem Kühlschrank, öffnet sie und drückt mir eine davon in die Hand. Die andere bleibt schön bei ihm.
    »Prost«, sagt er. »Und wie war dein erster Urlaubstag so?«
    »Ich hab einen Obdachlosen gefunden«, sage ich.
    »Wo?«
    »Auf einer Treppe im Karoviertel. Der arme Kerl war total blutig und schon weg im Kopf. Den muss jemand zusammengetreten haben.«
    »Böse«, sagt Klatsche und nimmt einen großen Schluck von seinem Bier. »Und jetzt wahrscheinlich kein Fall, auf den die Kollegen von der Polizei scharf sind, oder?«
    »Ist bald Weihnachten«, sage ich, setze mir die Flasche an die Lippen, trinke und stelle sie wieder ab. »Ich glaub nicht, dass da großartig was passiert. Na ja. Mir hat er leidgetan. Aber ich kann ihm auch nicht helfen.«
    Klatsche kommt hinterm Tresen vor und legt seinen Arm um mich.
    »Sollen wir über Weihnachten wegfahren? Auf dem Kiez ist schon jetzt nichts mehr los, ich kann hier ruhig mal dichtmachen. Oder Rocco schmeißt den Laden alleine.«
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Warst du schon mal in den Bergen?«, fragt er.
    Jetzt schlägt’s aber dreizehn. Was soll ich denn in den Bergen? Ich bin ein verdammter Meermensch. In den Bergen wird jemand wie ich doch bestimmt klaustrophobisch.
    »Da ist mir der Himmel zu klein«, sage ich.
    »Du spinnst«, sagt er, und in diesem Moment rüttelt es an der Tür, dann flucht einer, dann wird ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und umgedreht, und dann kommt Rocco rein und sagt mit leuchtenden Augen:
    »Und jetzt ratet mal, wer der neue Gastrobelatscher der Bullen ist!«

22. Dezember:
    Große Freiheit
    H eute Morgen nach dem Aufwachen, als ich mit einer Tasse heißem Kaffee an meinem Wohnzimmerfenster stand, hab ich zu lange auf das traurige, leerstehende Haus auf der anderen Seite unserer Straße gekuckt. Von innen ist es vermutlich gar nicht so traurig, da ist bestimmt ordentlich Alarm. Weil in dem Haus inzwischen ja ein Großteil der Hamburger Taubenpopulation wohnt. Aber von außen nagt das Wetter unaufhörlich Risse in die Fassade. Es war mal eine schöne Fassade. Hellgrün mit Bögen und Frauenköpfen aus Stuck über den Fenstern. Aber seit dem letzten Sommer bröckelt es heftig. Und das Haus steht seit über einem Jahr leer, keiner weiß, was damit wann passieren soll.
    Die verfallende Front erinnert mich an Venedig im Winter. Ich war mal da. Ich war noch ein junges Ding gewesen, mein Vater hatte sich noch keine Kugel in den Kopf gejagt, und wir machten jedes Jahr so kleine Weihnachtstouren in fremde Städte. Nur ein paar Tage, um das Fest der

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