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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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Besitzer der kleinen Pizzeria gegenüber, ein altes sizilianisches Ehepaar, die beide in den letzten Jahren nahezu quadratisch geworden sind, haben ihr Fenster von außen wie wild mit Lamettagirlanden in den italienischen Farben behängt. An die Girlanden sind Engel geknotet, und kleine Pakete mit Panettonekuchen. Das ganze Getüddel hüpft im Wind hin und her, von Schneeflocken umtanzt. Ein Postkartenbild. Finde ich jetzt insgesamt gar nicht schlimm. Ich stelle fest: Wenn ich so in Carlas Café sitze, von einer Weinschorle beschützt, von den dämmrigen Kronleuchtern und beschlagenen Fenstern umarmt, kann ich Weihnachten vielleicht sogar ganz gut aushalten. Vielleicht liegt’s aber auch am Tango. Manchmal hilft es ja kolossal, wenn außer einem selbst noch irgendwas anderes Trauriges im Raum ist. Dann gerät die Traurigkeit in Bewegung, tauscht sich aus und schließt einen nicht mehr so ein. Ich lasse die beiden tanzen, gehe hinter die Theke und mache mir noch eine Weinschorle. Der Oma am Tisch neben mir bringe ich auch gleich eine mit.
    »Das ist aber nett von Ihnen«, sagt sie.
    »Weihnachten«, sage ich und lächle sie an.
    Café-Omas sind super. Eventuell werde ich später auch mal eine. Carla geht ja immer davon aus, dass wir Kreuzfahrt-Omas werden. Sie hat das schon ein paarmal durchgerechnet. Ein Monat mittelmäßige Mittelmeerkreuzfahrt kostet ungefähr 2000 Euro. Ein Platz in einem luxuriösen Altersheim, was an Komfort der mittelmäßigen Kreuzfahrt gleichkommt, kostet 4000 Euro. Auf Schiffen gibt’s prima Ärzte, und sowohl die Betten als auch das Essen sind um Längen besser.
    »Und wenn ich auf einem Schiff hinfalle und mir was breche«, sagt Carla dann, »kann ich für den Rest meines Lebens umsonst fahren.«
    Wahrscheinlich hat sie völlig recht mit ihrem Kreuzfahrtdings.
    Ich sehe mich trotzdem eher im Café.
    Ich setze mich wieder an meinen Platz am Fenster, nehme einen Schluck von meiner Weinschorle und hole mein Telefon raus. Ich will den Kollegen von der Lerchenstraßenwache erzählen, was ich heute Morgen erfahren habe, aber bevor ich dazu komme, erzählen die mir was, und es ist keine gute Nachricht.
    Als ich aufgelegt habe, sind meine Freunde fertig mit Tango tanzen. Rocco biegt Carlas Rücken noch einmal elegant nach hinten, dann verschwindet er in der Küche, und Carla setzt sich zu mir. Sie sieht schön aus, prall und lebendig und ohne ein einziges Zeichen von Abnutzung. Ihre kinnlangen Locken zittern ganz leicht, sie ist etwas aus der Puste, aber nur ein ganz kleines bisschen.
    »Was ist denn mit dir los?«, fragt sie und trinkt meine Weinschorle in einem Zug aus. »Jemand gestorben?«
    »Ja«, sage ich. »Ein alter Mann, den ich überhaupt nicht kannte. Kann ich mehr Wein haben, bitte?«
    *
    Ich bin bei Carla und Rocco geblieben, bis sie den Laden zugemacht haben. Ich hab einfach weiter Weißwein getrunken und gewartet und gemeinsam mit der Oma und den Kronleuchtern aus dem Fenster gekuckt.
    Carla und ich haben Rocco dann noch zur Blauen Nacht gebracht. Weil Klatsche wieder mal irgendwo unterwegs war, ich aber heute schon genug gewartet hatte und nicht noch mehr warten konnte, sind Carla und ich gleich weiter. Carla sagt, wenn der Tod einem auf den Fersen ist, muss man zum Hafen, den Schiffen hinterherpfeifen. Was das soll, weiß ich nicht, aber Carla wird schon recht haben, die kennt sich aus mit Abhauen. Wir marschieren an der Hans-Albers-Statue vorbei, durch die Gerhardstraße und holen uns einen Wodka-Tonic to go in Lottas Bar. Der Laden ist ein Aquarium. Weich, flüssig, bunt. Wäre ich in ruhigerer Stimmung, würde ich mich hier an die Theke klemmen und für heute Nacht da auch nicht mehr weggehen. Ich würde in die schwimmenden Blasen starren, die von dieser alten, irrwitzig wackeligen kleinen Lichtmaschine an die Wand gepumpt werden. Ich würde mir eine Wodka-Tonic-Infusion legen lassen.
    Aber wir müssen weiter. Carla will es so, sie ist mein Antreiber und schon wieder an der Tür, und ich muss ihr folgen, sonst könnte ich heute verlorengehen, das spüre ich ganz deutlich.
    »Mach hinne«, sagt sie.
    Ich reiße mich los, und wir schnurren runter zum Hafen, vom Wodka getragen und von der Stimmung gejagt. Erst als wir auf dem schwankenden Anleger bei der alten Fischauktionshalle angekommen sind, bremsen wir ab. Auf der Elbe schwimmen ein paar einzelne Eisschollen. Ihre rauhe Oberfläche kann das Licht nicht reflektieren. Es sieht aus, als lägen Schatten auf dem Wasser.
    Wir

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