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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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grauen Wolken in den Augen. Irgendwie ist der ganze Kerl heute eine einzige graue Wolke.
    »Na ja«, sage ich. »War immerhin gefährliche Körperverletzung. Kommt auf den Jugendrichter an. Aber die sind ja vorher alle nicht auffällig geworden. Ich tippe mal auf Jugendstrafe mit Bewährung. Plus halbes Jahr Anti-Aggressionstraining. Mehr wird da wahrscheinlich nicht bei rumkommen.«
    Ich schmeiße meine Kippe in den Sand.
    »Ich hab immer noch nicht begriffen, warum die das gemacht haben. Die Obdachlosen haben denen nichts getan. Die waren einfach nur da. Es ist doch auch nicht so, dass die irgendwem was wegnehmen. Ich versteh das nicht.«
    »Es liegt immer an der Familie«, sagt der Faller. »Wenn es in der Familie nicht stimmt, geht’s schnell schief.«
    »In meiner Familie hat gar nichts gestimmt«, sage ich. »Und ich hab auch nicht angefangen, wehrlose Leute zu Brei zu schlagen.«
    »Sie sind zu Mitgefühl fähig, Chas. Und das hat Ihnen irgendwer beigebracht. Vermutlich war es Ihr Vater. Er hat Ihnen sein Herz gezeigt, seinen Schmerz. Das war vielleicht nicht schön, aber er hat Sie mitgenommen, in die Welt der Gefühle.«
    Ich ziehe an meiner Zigarette und zucke mit den Schultern. Ich tue so, als wäre nichts. Ich tue so, als würden mir nicht die Tränen in die Augen steigen.
    »Dass Sie nicht in der Lage sind, in Ihrem Privatleben was draus zu machen, ist eine andere Sache«, sagt der Faller. »Aber Sie kennen die Regeln unseres sozialen Lebens, Sie wissen, was Menschlichkeit ist. Wer das zu Hause nicht mitkriegt, dem nützt auch das schönste Kinderzimmer nichts.«
    Er schiebt seinen Hut ein Stück nach hinten, zieht noch mal an seiner Zigarette und schmeißt sie weg.
    »Die jungen Leute sehen diesen Egoismus, der um sich greift. Die Gier. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich jeder einfach nimmt, was er haben will. Wir leben in einer Gesellschaft, die in sich gewalttätig ist. Wir achten nicht auf die, die zurückbleiben, nachdem wir uns bedient haben. Das kann junge Männer auf direktem Weg in die Katastrophe schicken. Männer jagen gern. Und sie mögen es, die Beute zappeln zu sehen. Das ist ein hilfreicher Instinkt, wenn man überleben will, aber auch ein sehr gefährlicher. Auf den müsste eine Gesellschaft besser aufpassen, als unsere es tut.«
    »Warum haben die Mädchen mitgemacht, Faller?«
    Jetzt zuckt er mit den Schultern.
    »Mit den Dämonen von Frauen kenne ich mich nicht aus«, sagt er.
    Ich mich auch nicht. Ich hab meine ja von meinem Vater geerbt.
    »Wissen Sie, was ich gut finde, Chas?«
    »Nein, Faller, weiß ich nicht.«
    »Dieser Wolfsmensch in seinem Keller, der hat den Kindern und auch allen anderen gezeigt, wie höhere kulturelle Entwicklung geht.«
    »Weil er an Weihnachten nicht allein sein wollte?«
    Verdammt. Ich muss an meine Mutter denken.
    »Weil er auf Gewalt nicht mit Gewalt geantwortet hat. Er hat darüber nachgedacht, und das können wir auch alle nachvollziehen, aber er hat es nicht gemacht. Er hat Yannick und Angel kein Haar gekrümmt. Er hat ihnen was zu essen gemacht.«
    Ich muss lächeln. Der Faller hat recht. Der Wolfsmensch hat den Jugendlichen eine doppelte Lektion erteilt. Erst hat er ihnen eine Scheißangst eingejagt. Und dann hat er ihnen gezeigt, wie man miteinander umgeht.
    »Trotzdem muss er wahrscheinlich in den Bau«, sagt der Faller, »während die Herrschaften gemütlich frei rumlaufen.«
    »Ach«, sage ich, »das ist doch gar nicht so schlecht. Der ist nach ein paar Monaten wieder draußen. Und er hat in der kalten Zeit wenigstens ein Zimmer mit Heizung. Und ein richtiges Bett unterm Arsch.«
    »Stimmt«, sagt der Faller. »Der ist erst mal weg von der Straße.«
    Er kuckt in den Himmel. Ich mache mit. Die Wolken ziehen schneller als die Elbe.
    »Wie sieht’s da eigentlich bei Ihnen aus?«
    »Wie sieht was bei mir aus?«
    »Das Leben auf der Straße«, sagt er, »das Herz auf der Flucht.«
    Er sieht mich an.
    »Keine Ahnung«, sage ich. »Er fehlt mir.«
    »Wer?«
    »Klatsche.«
    »Der würde mir an Ihrer Stelle auch fehlen.«
    »Ich würde ihn gerne anrufen«, sage ich.
    »Machen Sie doch«, sagt der.
    »Geht nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich hab ihn beschissen«, sage ich.
    »Ich weiß«, sagt der Faller.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Wissen alle«, sagt er.
    »Aha.«
    »Rufen Sie ihn an«, sagt er. »Der kann das ab.«
    »Was?«, frage ich. »Das Anrufen oder das Bescheißen?«
    »Beides.«
    Wir rutschen von der Mauer runter, gehen noch eine

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