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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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Regalbrett. Er fischte sie heraus, sie war federleicht. Er würde sie ebenso gründlich untersuchen wie alle anderen Kisten mit ihren banalen Inhalten des Alltags eines gut situierten kinderlosen Paares, das jeden Tag zur Arbeit ging und seine Freizeit mit den üblichen Dingen füllte. Als er die Tüte öffnete, spürte er ein Kribbeln in den Händen, als liefen Ameisen von seinen Fingerspitzen hinauf zu den Schultern.
    Jetzt hatte er ihn, dieses Schwein, das ihnen den armen Tropf vorspielte. Der biedere Herr Hauptkommissar, der seine Bildung heraushängen ließ und selbst ein Weichei war, mit seltsamen Weibergeschichten, der hatte sich einfach täuschen lassen. Er war dem Kerl auf den Leim gegangen. Aber bei ihm, Brunner, war dieser Plan nicht aufgegangen. Er ließ sich von so einem doch nicht für dumm verkaufen. Und jetzt hatte er ihn.
    Ich muss jetzt Ruhe bewahren. Ein Schnüffler bringt seine Arbeit zu Ende und hört nicht auf, nur weil er ein Körnchen gefunden hat. Er will alles finden, was es zu finden gibt. Darf nichts übersehen. Nur nicht die Flinte zu früh ins Korn werfen. Also Arsch zusammenkneifen und weitermachen. Nicht nachlassen. Wie eine Maschine oder ein verbeamteter Schnüffler.
    Am Ende hatte sich Brunners Suche gelohnt. Er trug einen rot-gestreiften Pappkarton hinaus zu seinem Porsche, der grau und breitmäulig wie ein Hai am Bordstein lauerte.
    Entweder war Eberl nicht zu Hause gewesen oder er hatte nur nicht geöffnet. Am Nachmittag schaute Brunner deshalb noch einmal vorbei. Sie begegneten sich auf der Straße.
    »Was wollen Sie schon wieder von mir?«, schnauzte Eberl ihn an. »Haben Sie meine Frau gefunden?«
    Schau an, der apathische verlassene Ehemann war schon wieder ganz schön aggressiv, dachte Brunner. »Ihre Frau nicht, aber etwas anderes, was ich Ihnen gern zeigen möchte.«
    Eberl war auf der Hut. »Dann aber gleich hier unten auf der Straße«, fuhr er ihn an. »Sie kommen mir nicht noch einmal in die Wohnung.«
    Brunner grinste. »Na, na, wer wird denn gleich so empfindlich sein? Jetzt machen Sie hier mal keinen Aufstand, ich tu Ihnen schon nichts.«
    Widerwillig machte Eberl die Tür auf und drückte auf den Aufzugknopf. In der Wohnung konfrontierte Brunner ihn mit der Plastiktüte.
    »Nur schauen, nicht anfassen!« Brunner stülpte den oberen Rand der Tüte um, sodass der Inhalt, der am Boden lag, sichtbar wurde: ein blutiger Stofflappen und ein paar Einweghandschuhe mit dunklen Flecken.
    Eberl kniff die Augen zusammen. »Wo haben Sie das her?«, zischte er.
    »Das wissen Sie nicht?«, fragte Brunner.
    »Nein, das weiß ich nicht.«
    Brunner beobachtete ihn. »Aus Ihrem Keller.«
    »Was? Wie sind Sie da reingekommen?« Eberl zitterte vor Wut.
    »Mit Ihrem Schlüssel. Sie haben ihn in der Helmer-Villa verloren.«
    »Das dürfen Sie nicht!« Eberl machte einen Schritt auf Brunner zu. Der Beamte war einen Kopf größer als er selbst und ziemlich kräftig.
    »Das lassen Sie mal meine Sorgen sein, was ich darf und was nicht. Also, wo kommt das her, und was hat es zu bedeuten? Täusche ich mich, oder ist das Blut? Von wem stammt es?«
    »Sie sind ein Arschloch, Mann!«, schrie Eberl. »Meinen Sie etwa, ich hab nicht gleich gemerkt, dass Sie mich auf dem Kieker haben? Aber bei mir werden Sie nichts finden. Die Sachen in der Plastiktüte stammen von einer Fahrradpanne. Ich hab beim Fahrrad meiner Frau den Schlauch gewechselt.«
    »Wann?«
    »Vor zwei, drei Wochen.«
    »Und das Blut?«
    »Bin beim Mantelaufspreizen abgerutscht und hab mir den Finger aufgerissen.«
    »Wo?« Brunner sah auf Eberls Hände.
    Er drehte die Handinnenflächen nach oben. »Keine Ahnung«, sagte er. »Ist schon verheilt. Die Tüte muss ich im Keller vergessen haben.«
    »Und wieso ist der alte Schlauch nicht drin?«
    »Hab ihn weggeschmissen.«
    »Aber die Tüte nicht?«
    Eberl schüttelte den Kopf. »Sie sind doch verrückt.«
    »Und was ist damit?« Brunner knallte ein Polaroidfoto auf den Esstisch. Es zeigte einen Mann Mitte dreißig mit dunklem, etwas längerem Haar, der erhöht auf einem Turm oder einem Hügel stand. Der Wind fuhr durch sein Haar, unter ihm das Häusermeer einer Großstadt.
    »Wer soll das sein? Woher haben Sie das?«
    »Kennen Sie den Mann?«
    Eberl schüttelte den Kopf.
    »Ein Freund Ihrer Frau? Ein Verwandter?«
    »Haben Sie das auch im Keller gefunden?« Eberl begriff, dass Brunner nicht nur kurz dort unten gewesen war. Er hatte sich durch alle Kisten gewühlt, hatte alles umgedreht.

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