Eisprinzessin
Frau Helmer?«
»Freilich, sie ist samstags manchmal als Aushilfe da, wenn Not am Mann ist.«
»Was ist sie für ein Mensch?«
»Sie ist halt die Tochter vom Chef. Einerseits ein bisschen schüchtern, andererseits ein bisschen arrogant, würd ich sagen. Aber zurückhaltend. Ich bin nie mit ihr warm geworden, aber ich bin ja auch selbst ein bisschen eigen. Da kann man nicht erwarten, dass die anderen immer gleich auf einen zugehen, oder?«
»Sie haben bestimmt schon mitbekommen, dass Charlotte Helmer verschwunden ist. Ihr Mann glaubt, sie könnte irgendwo hier sein.«
»Hier? In der Firma? Aber warum denn das, junger Mann?« Sie sah Brunner an, als könne er dringend Nachhilfe in Menschenkunde gebrauchen. »Bei den reichen Leuten weiß man doch nie, was die so treiben. Normale Leute sind mit der Arbeit genug beschäftigt. Aber je mehr Zeit und Geld man hat, desto komplizierter wird das Leben. Stimmt’s nicht?«
»Herr Helmer sagt, er erwartet Geschäftspartner.«
»Ja, die Stuttgarter. Die waren schon einmal hier. Es wird gemunkelt, dass die Firma verkauft werden soll, aber wissen tun wir nichts. Das sind bis jetzt alles nur Gerüchte. Wahrscheinlich sind wir Angestellten sowieso die Allerletzten, die davon erfahren werden, wenn die Entscheidung gefallen ist, so wie’s halt überall ist. Dann sagen sie uns auch, ob sie uns noch brauchen oder gleich rausschmeißen.«
Brunner reagierte nicht sofort.
»Ja, da können Sie als Beamter nicht mitreden, gell? Ihnen wird so etwas nie passieren. Wenn Sie Mist bauen, werden Sie nur in den Innendienst versetzt, wenn Sie das Saufen anfangen, werden Sie nicht entlassen, sondern auf Therapie geschickt oder, wenn Sie so alt sind wie ich, in den Ruhestand versetzt. Ein angenehmes Leben, was Sie da führen.«
»So ist es eben, Frau Ziegler«, Brunner war schon auf dem Sprung nach draußen, »manche Menschen haben im Leben halt mehr Glück als andere, gell? Nur kein Neid, das macht nämlich hässlich. Aber Sie können mich gern wieder anrufen, wenn was bei Ihnen in der Firma los ist. Die Streifenkollegen bleiben ja noch ein bisschen da, bis klar ist, wie wir hier weitermachen.«
»Zieglmayer heiß ich. Und ich brauch keinen Personenschutz!«, rief sie ihm hinterher.
Brunner bat die beiden Streifenpolizisten, das Firmengelände zu verlassen, sich aber in Sichtweite aufzuhalten. Nur für den Fall der Fälle. Er werde gleich versuchen den Haftrichter zu erreichen. Die Begeisterung der Kollegen hielt sich in Grenzen.
Nachdem er Meißner nicht erreichte, rief Brunner die Kollegin Marlu Rosner an. Er erklärte ihr kurz die Lage und fragte sie, ob sie nicht herkommen wolle, er würde gleich noch zum Klinikum fahren, gern auch mit ihr.
»Sorry, aber bei mir ist heute großes Familienfest. Meine Oma wird achtzig.«
»Na gut, aber wenn dir langweilig ist, schöne Kollegin, kannst du immer noch kurz bei mir auf einen Quickie vorbeikommen.«
Marlu blieb für eine Sekunde die Luft weg, dann empfahl sie Brunner ein Etablissement in der Manchinger Straße einhundertirgendwas mit sexy Girls in allen Größen und Farben. Da könne er ja auf dem Rückweg kurz vorbeischauen, wenn er seine Bedürfnisse anderweitig nicht befriedigen könne. Dann legte sie auf.
Brunner rief den Haftrichter an. Körperverletzung in zwei Fällen, Randalieren, das musste doch für eine Festnahme reichen. Doch der Herr Richter war an diesem Samstag bei einem Juristen-Kongress, wo genau in Oberbayern, das wusste seine Frau nicht zu sagen, vermutlich in München. Wahrscheinlich käme er erst spätabends nach Hause. Sein Handy habe er auf alle Fälle dabei, und vielleicht würde er es im Laufe des Nachmittags sogar wieder einschalten.
Als Brunner ihn später tatsächlich erreichte, zeigte der Haftrichter sich nicht gewillt, seine Teilnahme an dem höchst interessanten Kongress vorzeitig abzubrechen, um nach Ingolstadt zurückzufahren und den Haftbefehl zu erlassen. Das habe doch nun wirklich bis Montagmorgen Zeit, schließlich sei ja niemand umgebracht worden. Brunner solle die zwei Tage noch auf den Beschuldigten aufpassen, damit der ihm nicht weglaufe.
Dann meldeten sich die Streifenkollegen bei Brunner. Der junge Helmer hatte sich bei ihnen beschwert und wollte wissen, ob sie ihn jetzt überwachten, und wenn ja, weshalb. Sie sollten endlich abhauen. Dieses Herumlungern vor dem Firmengelände betrachte er als rufschädigend, schließlich erwarte er wichtige Geschäftspartner. Brunner wies die Kollegen an,
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