Eisprinzessin
Faust aufs Auge. Findest du nicht?«
»Irgendwie schon. Andererseits werden solche Sachen auch nicht dadurch besser, dass man ihnen einen neuen Namen gibt«, sagte Marlu ungnädig.
»Dann schieß mal los. Was ist denn draußen in der weiten Welt passiert, dass du den unbequemen Weg in meine bescheidene Klause auf dich genommen hast und mir jetzt hier den Marsch bläst? Von einem Begrüßungskuss hab ich auch nur geträumt, oder?«
»Lenk nicht ab. Ich bin rein dienstlich hier, die Privatsachen müssen warten. Da hab ich sowieso noch was zu klären, und jetzt schau nicht so unschuldig. Ich weiß genau, wer am Freitagnachmittag einfach abgedampft ist und sein Handy abgeschaltet hat. Ich war es nämlich nicht.«
»Hier draußen gibt’s keinen Empfang.« Meißner war mit dem Packen fertig, schnallte sich den Rucksack um, sperrte die Tür ab und machte das Fenster von außen dicht. »Und jetzt sag endlich, was los ist.« Er gab ihr einen Kuss auf den Mund.
»Eberl hat gestanden.«
»Was denn?«
»Dass er seine Frau umgebracht hat.«
»Und wo ist die Leiche?«
»Axel, also –«
»Ich weiß, wer Axel ist«, fuhr er sie an.
»Er meint, dass sie im Kühlhaus von der Donau-Kühlung ist.«
»So ein Blödsinn!« Meißner schüttelte den Kopf und konnte nicht mehr damit aufhören.
* * *
Helmer junior, der untadelige businessman im italienischen Maßanzug, redete unaufhörlich auf Brunner ein. Eine Hausdurchsuchung sei doch völlig absurd. Er könne das beim besten Willen nicht glauben. Sein Schwager sei doch offenbar nicht ganz zurechnungsfähig. Wie sollte er denn überhaupt ins Kühlhaus gekommen sein? Ob Brunner glaube, dass man hier einfach so reinmarschieren könne? Und ob er wisse, was er ihnen mit der Durchsuchung antue, gerade jetzt? Ob er eine Ahnung hätte, wie die Konkurrenz auf so eine Nachricht reagiere? Ob er auch nur einmal darüber nachgedacht hätte, wie eine polizeiliche Durchsuchung eines Kühlhauses, in dem Lebensmittel lagerten, bei der Presse und in der Bevölkerung ankäme? Bei Kühlhaus dachten die Leute doch automatisch gleich an Pferdefleisch in der Lasagne und Lebensmittel mit manipulierten Verfallsdaten. Ob Brunner sie ruinieren wolle? Helmer war außer sich.
Der Senior hielt sich etwas abseits und schien vollkommen ruhig, als habe er sich bereits in sein Schicksal ergeben. Aus den Augenwinkeln beobachtete er seinen Sohn. Er stand einfach da, die Daumen in die Seitentaschen seiner Anzugweste gesteckt, und beobachtete die Szenerie wie ein Außenstehender. Auch zum Geständnis seines Schwiegersohns hatte er nichts gesagt.
»Hören Sie«, sagte Brunner zum Junior. »Haben Sie verstanden, was wir hier tun und warum? Sie reden von der Firma, der Konkurrenz und dem wirtschaftlichen Schaden, aber ich rede von Mord. Und zwar von dem an Ihrer Schwester, die seit fast einer Woche verschwunden ist. Sie könnte tot und auf diesem Gelände versteckt sein.« Jetzt war es an Brunner, laut zu werden. »Sind Sie schwer von Begriff?«, fuhr er Andreas Helmer an. »Es geht hier um Ihre Schwester. Ihre Firma interessiert mich tatsächlich einen Scheiß, da haben Sie sogar recht. Für mich ist sie nichts als der mögliche Tatort oder Fundort einer Leiche. Geht das in Ihren Kopf rein?«
»Für mich ist die Firma meine Existenz und die wirtschaftliche Grundlage meiner Familie. Es ist einfach absurd, wenn Sie annehmen, hier könnte jemand eine Leiche versteckt haben. Aber ich kann Sie wohl nicht davon abhalten, hier alles auf den Kopf zu stellen. Versprechen Sie mir nur eins: Die Presse darf davon keinen Wind bekommen. Versprechen Sie mir das.«
»Ich kann Ihnen nur mein Wort geben, dass ich die Presse nicht informieren werde«, sagte Brunner. »Sollten die Journalisten von selbst draufkommen, kann ich auch nichts machen.«
Der Junior dampfte davon, ohne sich von seinem Vater zu verabschieden oder ihn auch nur anzusehen. Helmer senior blickte ihm nach, bis er in seinen Q7 gestiegen war, der Motor aufheulte und der Wagen mit quietschenden Reifen davonjagte.
Brunner betrachtete das Firmengelände. Die Großbaustelle. Seine Großbaustelle. Es dämmerte bereits. Von den gleißenden Scheinwerfern zu Lande und aus der Luft, die er sich ausgemalt hatte, war nichts zu sehen. Das Abblendlicht der beiden Einsatzfahrzeuge und die normale Hofbeleuchtung sorgten zwar dafür, dass die Polizisten nicht über ihre eigenen Füße stolperten, aber von gleißend konnte keine Rede sein. Nun gut, das eigentliche Suchen
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