Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
Sie weiß nur noch nicht genau, wie sie Carl in die gewünschte Situation bringt. Aber sie verlässt sich auf ihre Intuition. Doch die braucht sie gar nicht. Carl liefert den perfekten Vorwand.
»Ich habe mir überlegt, dass du heute Abend vielleicht alleine in den Kleingarten gehst. Nach der Nummer mit den Bullen heute Morgen habe ich keine Lust, da plötzlich in eine Kontrolle zu laufen. Wenn die mich beschatten oder so und ich spaziere da plötzlich mit einem Umschlag voller Kohle durch die Straßen, habe ich ein Problem.«
Zoe muss sich sehr bemühen, das Grinsen zu unterdrücken.
»Kein Problem, dann müsstest du mir aber eben kurz helfen. Sonst komme ich heute Abend nicht hier weg.«
»Wobei?«
»Ich sollte meiner Ma heute Abend helfen, meine kleine Schwester zu baden. Die hatte sich heute Morgen wieder total eingekackt. Wenn wir das jetzt eben machen, habe ich heute Abend Zeit.«
»Das ist nicht dein Ernst. Deine Schwester baden? Diese Behinderte?«
»Genau die. Eine andere habe ich nicht. Hast du ein Problem damit?«
Carl guckt, als hätte ihm ein Hund auf den Fuß gekackt.
»Ich habe mit nichts ein Problem«, behauptet er schließlich.
»Dann geh schon mal rüber ins Bad. Ich hole eben Franzi.«
Seine Augen werden schmal, als Zoe den Rollstuhl ins Bad schiebt. Er starrt das behinderte Mädchen an, geht angewidert einen Schritt zurück, stößt an das Klo.
Lustigerweise stößt Franzi genau in dem Moment ein paar ihrer kehligen Laute aus. Sie klingt wie ein Tier, und Zoe riecht fast, wie in Carl der Ekel steigt.
»Hilf mir mal sie auszuziehen.«
»Sie ausziehen?«
»Ja, sollen wir sie in den Klamotten in die Wanne setzen, oder was?«, lacht Zoe.
»Können wir die nicht einfach mit Deo einnebeln? Das merkt deine Mutter doch dann gar nicht. Und die da wird wohl kaum erzählen können, dass sie nicht gebadet wurde, oder?« Carl windet sich.
»Sag einfach, wenn du zu feige dafür bist«, sagt Zoe ganz ruhig.
Feige. Das ist genau das Wort, das trifft.
»Ich bin nicht feige. Ich dachte, das wüsstest du. Ich habe nur keine Lust. Aber okay«, gibt Carl sich geschlagen.
Es fängt Zoe wirklich an Spaß zu machen. Jetzt hat sie das Sagen. Sie ist überlegen. Mit spitzen Fingern öffnet Carl Franzis Schuhe.
»Die Jeans kannst du einfach runterziehen. Die hat einen Gummizug«, delegiert Zoe.
Carl ist schneeweiß im Gesicht.
Zoe grinst wieder. »Weißt du nicht, wie man Mädels auszieht? Sollte ich mich so in dir getäuscht haben? Ich dachte, du wärst da geübter.«
Zoe hat den Wasserhahn aufgedreht, dreht sich zu ihm um.
»Wenn du nicht tough genug bist, sag es einfach. Ich petze auch nicht.«
»Halt’s Maul jetzt.«
Es dauert lange, bis sie Franzi endlich in der Wanne haben. Carl versucht so wenig wie möglich sie anzusehen, anzufassen. Er fühlt sich abgestoßen, unsicher.
»Halt sie mal fest. Ich hab den Waschlappen vergessen«, sagt Zoe und ist sofort raus. Sie rennt hoch, holt den Fotoapparat ihres Vaters, den sie schon bereitgelegt hatte. Die Kamera ist nicht so toll wie Carls, aber es wird reichen. Sie hat extra vorher schon Musik aufgedreht, damit Carl den Auslöser nicht hört. Sie schleicht zur Tür und erkennt, dass sie die Fotos von da machen kann. Das Bild, das sie braucht, erscheint im Badezimmerspiegel. Perfekt. Sie zoomt Carl und Franzi heran. Und drückt ab, immer wieder. Sie hofft, dass eine Aufnahme dabei ist, in der Carl nicht zu angewidert aussieht. Sie hatte ihm vorher gesagt, dass er das T-Shirt ausziehen solle, weil es danach sonst klatschnass wäre. Sie sieht im Spiegel die nackte Franzi. Zoe hat extra wenig Wasser einlaufen lassen, damit die Schwester nicht halb im Schaum verschwindet. Sie sieht Carls nackte Arme um den schiefen Körper. Sie grinst. Carl wird kotzen, wenn er die Bilder sieht. Er wird sie hassen. Sie nimmt die Kamera noch mal hoch, will sicherheitshalber noch ein paar Mal abdrücken. Und da sieht Franzi sie. Sieht im Spiegel ihre Schwester. Zoe hat Franzis Gesicht direkt im Sucher. Die grünen Augen gucken direkt in Zoe hinein. Ganz offen, ganz unbefangen. Und dankbar. Franziska freut sich ihre Schwester zu sehen. Zoe sieht diese Freude, diesen klaren Blick, das Erkennen und lässt ganz langsam die Kamera sinken.
Was tut sie hier?
Wozu benutzt sie gerade ihre Schwester?
Sie sieht das grenzenlose Vertrauen, das Franziska in sie hat, sieht die Hände von Carl auf deren Körper und muss fast würgen. Es kann ihr nicht schnell genug gehen. Sie wirft
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