Hosen runter: Roman (German Edition)
KAPITEL 1
»Frauen sind auch Menschen.«
Es war mein fünfzehnter Geburtstag, als mein Vater plötzlich meinte, mir diesen Hinweis geben zu müssen. Von diesem Tag an schien er seinen pubertierenden Sohn nicht mehr für den harmlosen Jungen zu halten, der im Schwimmbad die Eissorten am Kiosk interessanter findet als die Mädchen im Bikini. Mit einem Mal betrachtete er mich misstrauisch, als wäre ich ein grunzender Primat aus der Steinzeit, der potenzielle Sexualpartnerinnen hinterrücks mit einer Keule niederschlug, um sie in eine dunkle Höhle zu verschleppen und dort wer weiß was mit ihnen anzustellen. Zugegeben, seine Befürchtungen kamen den schmutzigsten Fantasien, denen ich mich während meines sexuellen Erwachens hingab, gefährlich nahe. Ich träumte von hemmungslosen Begegnungen mit meinen Mitschülerinnen und hätte meine miesen Zensuren am liebsten damit entschuldigt, dass ich keine Hausaufgaben erledigen konnte, weil mich meine sexbesessenen Klassenkameradinnen ständig forderten – Tom, den Ladykiller, der wusste, was die Frauen brauchten!
Die Realität sah leider deutlich anders aus. Ich war so schüchtern, dass ich es zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geschafft hatte, einem Mädchen einen Kuss aufdie Wange zu geben. Einige meiner Freunde hatten ihre Hände bereits unter so manchen Pulli schieben und dort herumfummeln dürfen. Für mich war Mädchenunterwäsche, geschweige denn, was sie verhüllte, nicht mehr als ein unerreichbarer Wunschtraum.
Ich muss zugeben, dass Mädchen für mich damals tatsächlich keine Menschen waren – sie waren verheißungsvolle Geschöpfe aus fernen Galaxien, Göttinnen aus einer anderen Welt, die mich in Englisch und Geschichte davon abhielten, auf die Tafel zu achten und meinen Blick ausschließlich auf die wachsenden Kurven unter ihren Blusen lenkten. Dass sie zudem bessere Noten als ich bekamen, festigte meine jugendliche Überzeugung, dass es die größte Herausforderung im Leben eines Mannes war, das Herz eines solchen Engels zu gewinnen. Anders als ich mit meinem verklärten Blick waren meine Kumpels schlicht der Ansicht, dass unsere Klassenkameradinnen in erster Linie dazu da wären, sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Während ich schwärmerisch von ewiger Liebe träumte, legten sie reihenweise Mädchen flach. Offenkundig bekamen sie zu Hause nützlichere Ratschläge als ich.
Wahrscheinlich hatten ihre Eltern einfach nur die Klappe gehalten und der Natur ihren Lauf gelassen. Mein lieber Vater hingegen verfolgte mit der Erziehung seines Sohnes ein echtes Anliegen: Er wollte zur Gleichberechtigung der Geschlechter beitragen. Statt mir aufmunternd auf die Schultern zu klopfen und mich zu ermutigen, mich ins Getümmel zu stürzen, verwirrte er mich mit humanistischer Rechthaberei und seinersteten Aufforderung, Frauen respektvoll zu begegnen. Tolle Theorie, wenn man ständig und überall unkontrollierbare Erektionen bekam, bloß weil im Bus ein Hauch von Haarspray an einem vorbeiwehte. Hormonell übersteuert, war es mir unmöglich, meine animalischen Fantasien mit dem zivilisierten Weltbild meines Vaters in Einklang zu bringen. Zumal die Mädchen damals so gnadenlos waren, mich zu jahrelanger Jungfräulichkeit zu verdammen. Nicht eine interessierte sich für meine romantischen Ideen von der Liebe. Dabei wäre ich schon mit siebzehn zum ewigen Bund der Ehe bereit gewesen und war eigentlich ohne Unterlass schwer verliebt in eine Prinzessin aus der Nachbarschaft oder der Schule. Vielleicht war es nicht eben förderlich, dass es mir bei keiner gelang, ihr meine großen Gefühle zu gestehen. Aus Angst, eine Abfuhr zu erhalten und an gebrochenem Herzen zu sterben, hielt ich lieber gleich die Klappe. Vermutlich wäre es einfacher gewesen, das Ganze emotional eine Nummer kleiner anzugehen, aber das hatte ich nicht im Programm.
So gab es in der Oberstufe neben mir nur noch einen ohne sexuelle Erfahrungen: Ralph Schornagel, einen dünnen Jungen mit fettigen Haaren, was schon alles über seine Chancen bei den Mädchen aussagte. Wir wurden trotzdem Freunde und jammerten gemeinsam über die Ungerechtigkeit, dass es selbst für die pummelige Lisa bei der letzten Klassenfete zum Petting mit einem Typen gereicht hatte, während wir beide wieder mal unberührt in der Ecke stehen geblieben waren.
Ich war schon völlig verzweifelt. Doch dann kam derWendepunkt: Ich lag mit Fieber im Bett, versäumte eine Klausur in Mathe und wurde von meiner Mutter mit allem, was ich
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