Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eiszart

Eiszart

Titel: Eiszart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
Vom Netzwerk:
Ballkleid. Silberne Knöpfe und Schnüre betonten die schlanke Taille. Mehrere Unterröcke erzeugten den Eindruck eines Reifrocks, möglicherweise wurde aber auch tatsächlich eine Stütze verwendet, um den glockenartigen Effekt zu erzielen. Das ließ sich auf den ersten Blick nicht sagen.
    »Es ist wunderschön.«
    »Wollt Ihr es gleich einmal anprobieren?«
    »Ich weiß nicht Darf ich das denn?«
    »Aber Ihr seid doch eingeladen.«
    »Ihr habt wohl recht. Aber verratet mir, womit verdiene ich die Großzügigkeit des Grafen?«
    »Der Graf hält viel von Euch«, erwiderte das Mädchen geheimnisvoll und half Veruschka dabei, das imposante Gewand überzustreifen. Doch das Kleid war viel schwerer, als es aussah, so dass noch ein weiteres Mädchen herbeigerufen werden musste. Zu dritt gelang es ihnen schließlich, sie in das enge Mieder zu zwängen und die Röcke zu ordnen. Überwältigt betrachtete sich Veruschka im Spiegel. Sie sah wie eine Edeldame aus. Nicht mehr wie das einfache Mädchen vom Land, das sie war.
    »Euer Gewand ist noch nicht vollständig«, sagte die jüngere der beiden Mägde und reichte Veruschka eine Schachtel, die mit einer goldenen Schleife zugebunden war. Das ältere Dienstmädchen verabschiedete sich mit einem formvollendeten Knicks und zog sich zurück.
    »Was ist darin?«, fragte Veruschka aufgeregt.
    »Ein Geschenk des Grafen. Er wünscht, dass Ihr es heute Abend für ihn tragt.«
    Sie nahm dem Dienstmädchen das Geschenk ab, öffnete es und blickte überrascht auf die mit Edelsteinen verzierte Maske, die in dem Karton lag. Es war ein ungewöhnliches Geschenk. Reizend anzusehen. Ein Vermögen musste es wert sein.
    »Darf ich Euch helfen, die Maske anzulegen?«, fragte das Mädchen, und Veruschka erlaubte es, nickte ihm zu. Ihr Herz pochte vor Aufregung. Nie zuvor hatte sie solch edle Gewänder oder derart teure Geschmeide tragen dürfen. Vielleicht war es doch nicht allzu schlecht, hierhergekommen zu sein.
    Das Mädchen stellte sich auf einen kleinen Tritt hinter sie und hob die Maske aus der Schachtel, legte sie vor Veruschkas Augen und band sie an ihrem Hinterkopf zusammen. Die Frau, die Veruschka nun im Spiegel entgegenblickte, sah aus wie eine Königin. Geheimnisvoll. Sinnlich. Aber auch fremd. Die Maske verstärkte den Eindruck.
    »Ich bringe Euch nun zum Ballsaal. Bitte folgt mir. Aber seid vorsichtig, nicht dass Ihr auf den Saum Eures Kleides tretet.«
    Veruschka folgte dem Mädchen abermals. Diesmal führte es sie in einen prunkvollen Saal, der fast gänzlich in Weiß erstrahlte. Kristallleuchter hingen von der Decke, der Boden war aus feinstem Marmor, an den Wänden waren Spiegel angebracht, unendlich viele Spiegel. Durch sie gewann der Raum an Tiefe. Die geladenen Gäste, die sich in ihm versammelt hatten und der feierlichen Musik des Orchesters lauschten, trugen Larven wie sie. Niemand zeigte an diesem Abend offen sein Gesicht.
    »Wer von ihnen ist Graf Zima?«, fragte sie das Mädchen, aber das antwortete ihr nicht. Erst im nächsten Augenblick merkte Veruschka, dass die Magd gar nicht mehr bei ihr war.
    Na schön, sie würde den Grafen unter all den Anwesenden schon entdecken. Er wusste, welche Maske sie trug, wahrscheinlich würde er sie sogar zuerst erkennen und auf sie zukommen. Veruschka straffte die Schultern und schritt durch den Saal. Immer wieder blickte sie in die zahllosen Spiegel, die jeden ihrer Schritte wiedergaben. Sie war von ihrer eigenen Anmut überrascht und zugleich gefesselt. Die anderen Gäste nickten ihr angetan zu. Das Orchester spielte L’Inverno – Das Lied des Winters aus Vivaldis Vier Jahreszeiten . Sie kannte dieses Lied vom Markt, auf dem es einst ein paar Musiker vorgespielt hatten. Seitdem liebte sie es. Die Musik war durchdringend und ergreifend. Ein Schauer jagte über ihren Rücken. Und wohin sie auch blickte, entdeckte sie Masken. Goldene Masken, silberne Masken, rubinbesetzte Masken und Masken, die mit Federn besetzt waren. Sie fragte sich, wer all diese Menschen waren, die ihr Antlitz vor ihr verbargen.
    Da fixierte sie plötzlich ein Mann am anderen Ende des Raumes. Sein Blick war so durchdringend, dass er ihr nicht entging, obwohl sie zuerst mit dem Rücken zu ihm stand. Geschwind kam er auf sie zu. Er trug einen hellblauen Gehrock, der von oben bis unten glitzerte, als wären winzige Kristalle in den Stoff gewebt worden. Auch sein Gesicht lag hinter einer Larve, doch sie konnte seinen schönen Mund erkennen, dessen Lippen rosig

Weitere Kostenlose Bücher