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Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Keandir. »Und das einer von ihnen einen kleinen Makel trägt, ist vielleicht ein Zeichen.«
    »Ein Zeichen?«, fragte Ruwen erstaunt und leicht erschrocken.
    »Ein Zeichen dafür, dass wir Elben unser Streben nach Perfektion aufgeben sollten, wenn wir hier, in Elbiana, bestehen wollen.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob alle das begreifen werden.«
    »Nach und nach schon«, war Keandir überzeugt.

    Später schlief Ruwen, um sich von den Anstrengungen der Geburt zu erholen. Keandir saß an der Wiege, in der seine beiden Söhne lagen. Aufmerksam schienen sie ihren Vater zu betrachten.
    Und einen Moment lang waren die Augen des kleinen Magolas vollkommen von Schwärze erfüllt, sodass nichts Weißes mehr sichtbar war!
    Ein Ruck durchfuhr den Elbenkönig. Er starrte seinen Sohn völlig entgeistert an und hatte das Gefühl, als ob sich eine eiskalte Hand um sein Vaterherz schloss.
    Das Ganze dauerte kaum einen Lidschlag lang, und schon im nächsten Moment war da nichts weiter zu sehen als ein neugeborener Säugling, der seinen Vater mit großen Augen anschaute. Die Finsternis in Magolas’ Augen war verschwunden, und Keandir war sich nicht einmal mehr sicher, ob er sie sich vielleicht nur eingebildet hatte und er somit ein Opfer seiner eigenen unterschwelligen Ängste geworden war.
    Keandir streckte die Hand aus. Magolas’ Hand griff nach dem Zeigefinger des Königs. Die kleinen Finger schlossen sich mit einer für den König überraschenden Kraft.

    »Ich wünschte manchmal, ich könnte einen Blick in die Zukunft werfen«, sagte Keandir später, als er sich mit Nathranwen unterhielt. Sie befanden sich auf dem Vorplatz des königlichen Hauptzeltes, der inzwischen mit Holzbohlen befestigt worden war, sodass man nicht bis zu den Knöcheln in den weichen Sand am Strand von Elbenhaven einsank.
    »Dieser Wunsch ist ganz natürlich«, fand die Heilerin. »Alle Eltern wollen wissen, was aus ihren Kindern wird und was die Zukunft bringt.«
    »Da mögt Ihr wohl Recht haben.«
    »Aber Ihr werdet mit der Ungewissheit leben müssen, König Keandir. Schließlich habt Ihr das alte Schicksal zerschlagen, und solange sich kein Netz neuer Verstrickungen herausgebildet hat, ist die Zukunft frei und ungewiss.«
    »So habe ich es gewollt«, sagte der König. »Aber wie es scheint, erfüllt sich kein Wunsch, ohne dass dafür ein Preis zu zahlen ist.«
    Nathranwen lächelte mild. »Die Namenlosen Götter müssen Kaufleute gewesen sein und haben die Welt offenbar durch Schacherei erschaffen.«
    Auch Keandir lächelte verhalten. »Lasst das nicht einen der älteren Schamanen hören!«
    »Noch nie wurde jemand aus der Zunft der Heiler wegen Frevels ausgeschlossen. Und im Übrigen habt Ihr ja dafür gesorgt, dass ein vergleichsweise freigeistiger Seegeborener an ihrer Spitze steht.«
    Keandir zuckte mit den Schultern. »Je mehr sich offenbart, dass die Namenlosen Götter an den Geschicken der Elben und an denen der sterblichen Welt nicht mehr interessiert sind, desto mehr wird man darauf bestehen, dass sie doch noch existieren und unser Schicksal begleiten. Aber ehrlich gesagt, ich glaube, dass wir ohne die Götter besser dran sind.«
    »Nimmt uns das nicht jeden Trost und jede Hoffnung auf eine Existenzmöglichkeit jenseits der materiellen Welt?«, fragte sich Nathranwen laut.
    »Nein«, antwortete der König, obwohl die Heilerin diese Frage eher an sich selbst gerichtet hatte. »Es konzentriert unsere Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt – und das Erreichen unserer Ziele.«
    Nathranwen schwieg eine Weile. Schließlich sagte sie: »Das soll mir recht sein – vorausgesetzt, es macht uns langfristig gesehen nicht zu kurzlebigen Sterblichen …«

6. Kapitel

Die Reise zu den Sinnlosen

    Von Tag zu Tag wurde es nun wärmer und heller. Der Schnee schmolz und zog sich auf die höchsten Gipfel von Hoch-Elbiana zurück. Wind und Kälte zeigten mit den letzten Frühjahrstürmen noch einmal ihre Macht, doch die Stimmung der Elben begann sich wieder aufzuhellen. Es kam, wie die Heilerin Nathranwen prophezeit hatte: Mit dem Licht kehrte der Optimismus zurück. Die Geburt der königlichen Zwillinge tat ein Übriges dazu. Ruwens Beispiel schien zu bewirken, dass viele Elbinnen auf einmal schwanger wurden. So musste man sich schließlich mehr und mehr an dem Geschrei von Säuglingen in den Zelten von Elbenhaven gewöhnen.
    Eines Tages meldeten die auf ein paar felsigen Anhöhen postierten elbischen Späher das Nahen eines Schiffes aus Norden. Wenig

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