Elena – Ein Leben fuer Pferde
Pommes – Melike mit Ketchup und ich mit Mayo– und setzten uns auf die Stufen der Eisdiele.
»Kommst du heute Nachmittag in den Stall?«, fragte ich und leckte mir die Mayo von den Fingern.
»Ja, klar.« Melike nickte kauend. »Ich weiß zwar nicht, ob meine Mutter heute Morgen schon geritten ist, aber es schadet Dicky nicht, wenn er zweimal rauskommt.«
Dicky, der eigentlich Jasper hieß, gehörte Melikes Mutter, doch die hatte nur selten Zeit für ihr Pferd und war froh, wenn meine Freundin ihn ritt.
»Papa fährt aufs Turnier.« Ich klaubte die letzten Pommes aus der fettigen Tüte. »Wir können also in die große Halle und ein paar Hindernisse aufbauen.«
Papa war von Beruf Springreiter und an beinahe jedem Wochenende auf einem Turnier irgendwo in Deutschland, manchmal sogar im Ausland. Christian, mein älterer Bruder, und ich waren mit Pferden aufgewachsen und ritten natürlich auch beide.
Genau genommen gehörte der Amselhof meinem Opa, der Reitunterricht mit seinen Schulpferden gab und dafür sorgte, dass der ganze Betrieb lief. Oma war die Chefin der Gaststätte »Zur Pferdetränke«, die nicht nur bei Reitern beliebt war und im Sommer einen großen Biergarten hatte.
»Hm, das war gut.« Melike zerknüllte die Pommestüte und schnippte sie in den Mülleimer neben der Treppe. »Ariane wird heute wohl kaum im Stall auftauchen.«
»Glaub ich auch nicht«, erwiderte ich und verzog das Gesicht. »Christian fährt mit aufs Turnier und dann ist keiner da, vor dem sie eine Schau abziehen kann.«
Arianes Vater besaß drei Pferde, die auf dem Amselhof standen, von Papa trainiert und auf Turnieren vorgestellt wurden. Herr Teichert war Börsenmakler oder so etwas Ähnliches und hatte Geld wie Heu. Er und seine aufgebrezelte Frau hatten zwar keinen blassen Schimmer von Pferden, aber sie waren gute Kunden.
Melikes Klassenkameradin Laura hatte ebenfalls ein Pferd bei uns stehen, allerdings ein Dressurpferd.
Ich hatte meine Pommes inzwischen auch aufgegessen und betrachtete unser Spiegelbild im Schaufenster der Eisdiele. Gegen die zierliche Melike mit ihrem braunen Teint, den sie dem Erbe der türkischen Vorfahren ihres Vaters verdankte, ihren großen dunkelbraunen Augen, schneeweißen Zähnen und dem glänzenden schwarzen Haar kam ich mir vor wie eine hässliche bleiche Bohnenstange. Ich beneidete meine Freundin glühend um ihr Äußeres. Ich sehnte den Tag herbei, an dem ich meine Zahnspange und die Pickel los sein würde. Das Einzige, das ich an mir mochte, waren meine Haare. Wie Mama war ich blond. Überhaupt sah ich ihr auf Fotos von früher ziemlich ähnlich und deshalb hegte ich noch einen Rest Hoffnung, dass ich eines Tages so aussehen würde wie sie.
Während ich über mein Äußeres nachdachte, bremste direkt vor uns ein schmutziger dunkelgrüner Jeep.
»Ach du Schande, Tim Jungblut und sein Vater«, sagte ich und zog die Kapuze bis in mein Gesicht. »Bloß nicht hingucken!«
Mich hätten sie vielleicht nicht bemerkt, aber es war völlig unmöglich, Melike mit ihrer knallgelben Jacke zu übersehen. Sie strahlte an diesem grauen Tag wie ein Leuchtturm im Nebel.
Die Scheibe des Jeeps wurde heruntergelassen und ein dunkelblonder Junge beugte sich heraus. »Habt ihr den Bus verpasst?«, fragte er grinsend.
»Nee, wir sitzen nur so aus Spaß im Regen rum«, entgegnete Melike bissig.
»Na los, steigt ein!« Der Junge sprang aus dem Auto und hielt einladend die Tür auf. »Wir fahren sowieso durch Steinau.«
»Das kann ich nicht machen«, raunte ich meiner Freundin zu. »Wenn Papa rauskriegt, dass ich mit Jungbluts mitgefahren bin, bringt er mich um.«
»Das erfährt er schon nicht.« Melike zog mich einfach mit. »Besser, als noch eine Stunde im Regen herumhocken.«
Das fand ich schließlich auch. Und irgendwie war es aufregend, gerade weil es so absolut verboten war, mit einem Mitglied der Familie Jungblut auch nur ein Wort zu wechseln. Ich murmelte »Hallo« und quetschte mich neben Melike auf die Rückbank zwischen einen Sattel und einen Stapel Pferdedecken.
»Tach, die Damen.« Tims Vater musterte uns kurz und brauste los.
Richard Jungblut war Pferdehändler und auch Springreiter wie Papa. Ihm gehörte der Sonnenhof in Hettenbach, einem Örtchen auf der anderen Seite des Waldes. Die Feindschaft mit den Jungbluts hatte in unserer Familie Tradition und beruhte auf Gegenseitigkeit. Besonders die Männer konnten sich nicht ausstehen. Woher dieser Hass stammte, wusste ich nicht und hatte nie
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