Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
Vorwort
Sargon, König von Akkad, Wächter von Ishtar, König von Kish, gesalbter Priester von Anu, König des Reiches; er besiegte Uruk und riss seine Mauern nieder. Während dieser Schlacht nahm er Lugalzaggisi, König von Uruk, gefangen und brachte ihn an einer Hundeleine zum Tor von Enlil.
Antiker Text
Eine Autostunde südlich von Bagdad liegt die Ortschaft Hindiyya. Dort verbrachte ich meine letzten glücklichen Jugendtage, bevor ich den Irak 1979 endgültig verließ. Seinen Namen trägt der Ort nach dem Hindiyya-Staudamm, der 1913 von den wenig später abgedankten Osmanen quer über den Euphrat gebaut wurde. An die Brücke habe ich eine dauerhafte, eindringliche Erinnerung. An kühlen Herbsttagen schwänzte ich nachmittags zusammen mit meinen drei besten Freunden Adel, Khalid und Zahr il-Din die Schule, dann gingen wir über die Staumauer zu dem Touristenhotel am gegenüberliegenden Ufer. Dort kauften wir uns ein Sechserpack Farida -Bier und setzten uns ans Wasser, um über Fußball, Philosophie, Filme und Mädchen zu diskutieren.
Jene glücklichen Tage stehen in dramatischem Gegensatz zu einem zweiten Bild, das sich eindringlich in mein Gedächtnis einprägt hat. Das geschah 1991, während des ersten Golfkrieges. Ich weiß noch genau, wie ich in einer Nachrichtensendung der CNN Aufnahmen von einem Feuergefecht in Hindiyya sah: Eine einsame, verängstigte Frau war über die Staumauer gegangen und dabei zwischen die Fronten geraten. Für die meisten Zuschauer war dies sicher nur eine von vielen Szenen, die den Schrecken des Krieges in einem weit entfernten Land zeigten. Ich aber erkannte die Szenerie sofort wieder, und damit wurde das Elend des Landes, das ich zwölf Jahre zuvor hinter mir gelassen hatte, traurige Realität. Ich selbst war Dutzende von Malen an der Stelle vorübergegangen, an der diese hilflose Frau jetzt stand.
Aber das war am anderen Ende der Welt. Bis heute, da ich diese Zeilen schreibe, war ich noch nicht wieder im Irak. Ich sage »da ich diese Zeilen schreibe«, denn ich schließe eine Stippvisite irgendwann in der Zukunft, wenn ich alter Feigling es für ausreichend ungefährlich halte, nicht aus.
10.
Der Autor (vordere reihe, Mitte, mit Tafel) auf einem Klassenfoto im letzten Grundschuljahr in Saddat al-Hindiyya.
Ich verließ den Irak in einem für die islamische Welt folgenschweren Jahr. Damals, 1979, unterzeichneten der Ägypter Anwar Sadat und der Israeli Menachem Begin in Washington einen Friedensvertrag; im Iran wurde die erste islamische Republik ausgerufen, nachdem der abgesetzte Schah nach Kairo geflüchtet war; die heilige Stadt Mekka erlebte ein Feuergefecht, mit dem ein fundamentalistischer Aufstand niedergeschlagen und Hunderte von Pilgern getötet wurden; die Sowjetunion besetzte Afghanistan; und in der US-Botschaft in Teheran begann die iranische Geiselkrise. In diesem Durcheinander hatte Saddam Hussein das Präsidentenamt im Irak von Feldmarschall Muhammad Hassan al-Bakr übernommen, wodurch das Leben für den Großteil der Bevölkerung im Land erheblich trostloser wurde. Meine Angehörigen und ich trafen Ende Juli – genau zwei Wochen nach Saddams Machtübernahme – im Großbritannien Margaret Thatchers ein. Wie sich herausstellte, waren wir gerade noch rechtzeitig entkommen, denn wenige Monate später erklärte Saddam dem Iran den Krieg. Hätten wir das Land in jenem Sommer nicht verlassen, mein Bruder und ich wären zweifellos eingezogen worden und hätten in jenem sinnlosen, entsetzlichen Krieg kämpfen müssen. Dass ich dann heute noch am Leben wäre und meine Geschichte erzählen könnte, bezweifle ich. Mit unserer britischen Mutter und unserem schiitisch-muslimischen Vater, der persischer Abstammung war und in den 1950er Jahren im Irak mit der kommunistischen Bewegung geliebäugelt hatte, waren mein Bruder und ich als »unerwünscht« gebrandmarkt, und wir wären sicher zu entbehrlichem Kanonenfutter geworden.
7.
Der Bezirk Karradat Merriam in Bagdad, wo der Autor geboren wurde. Das Gebiet liegt wenige Kilometer flussabwärts von al-Ma’muns Palast.
Seither ist es offenbar mit dem Leben im Irak ständig bergab gegangen. Seit meiner Jugend in den 1960er und 1970er Jahren, als das Leben dort für ein Kind aus der Mittelschicht angenehm und relativ einfach war, haben sich die Verhältnisse dramatisch gewandelt. Mein Vater, ein in Großbritannien ausgebildeter Elektroingenieur, war als Offizier in der irakischen Luftwaffe tätig. Da er an verschiedenen Orten im
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