Elf Arten der Einsamkeit - Short stories
einen Heiligenschein getaucht wurde. Als er fertig war, stand er auf – wir standen beide auf – und schüttelte mir die Hand.
»Wunderbar«, sagte er. »Bob, ich hatte das Gefühl, daß Sie was Gutes zustande bringen, aber ich will Ihnen die Wahrheit sagen. Ich wußte nicht, daß Sie etwas so Gutes zustande bringen. Jetzt wollen Sie Ihren Scheck, und ich sage Ihnen was. Sie kriegen keinen Scheck. Dafür kriegen Sie Bares.«
Heraus zog er seine vertrauenswürdige schwarze Taxi- fahrerbrieftasche. Er ging mit den Fingern den Inhalt durch, nahm einen Fünf-Dollar-Schein heraus und legte ihn mir in die Hand. Er wollte offenbar eine Zeremonie daraus machen, mir einen Schein nach dem anderen zu geben, und ich stand da, lächelte den Schein an und war- tete auf den nächsten; und ich stand noch immer mit ausgestreckter Hand da, als ich aufblickte und sah, daß er die Brieftasche wieder wegsteckte.
Fünf Dollar! Und auch jetzt noch wünschte ich, ich könnte behaupten, ich hätte es geschrien oder zumindest mit einer Spur der Empörung, die meine Eingeweide gepackt hatte, gesagt – es hätte mir später eine schreck- liche Menge Ärger erspart –, aber die Wahrheit ist, daß es als ganz leise, kleinlaute Frage herauskam: »Fünf Dollar?«
»Genau!« Er kippte zufrieden zurück auf seine Fersen, die im Teppich versanken.
»Ja, aber Bernie, wie ist unsere Abmachung? Sie haben mir doch den Scheck gezeigt, und ich ...«
Sein Lächeln erstarb, er blickte so schockiert und ver- letzt drein, als hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt. »Oh, Bob«, sagte er. »Bob, was ist los? Wir wollen doch keine Spielchen treiben. Ich weiß, daß ich Ihnen den Scheck gezeigt habe, ich zeige Ihnen den Scheck gern noch mal.« Und die Falten seines Freizeithemds bebten vor recht- schaffener Empörung, als er in der Kredenz kramte und ihn holte.
Es war tatsächlich derselbe Scheck. Es standen noch immer fünfundzwanzig Dollar und null Cent darauf; aber Bernies verkrampftes Gekritzel auf der Rückseite, über der Unterschrift des Mannes und unter dem Stempel der Bank war jetzt verdammt leserlich. Da stand selbstver- ständlich: »Der volle Vorschuß, für fünf Geschichten.«
Ich war also nicht wirklich bestohlen worden – nur ein bißchen hereingelegt vielleicht, mehr nicht –, und des- wegen war jetzt mein größtes Problem, daß ich mir wie ein Idiot vorkam – ein krankes, nach Ginger-ale schmek- kendes Gefühl, das Ernest Hemingway mit Sicherheit sein ganzes Leben lang nicht gekannt hatte.
»Habe ich recht oder nicht, Bob?« fragte er. »Habe ich recht oder nicht?« Und dann mußte ich mich setzen, und er tat sein lächelndes Bestes, um die Sache klarzustellen. Wie hatte ich nur annehmen können, daß er fünfund- zwanzig pro Geschichte meinte? Hatte ich irgendeine Vorstellung, wieviel ein Taxifahrer nach Hause brachte? Oh, Fahrer, denen ihr Auto gehörte, das war möglicher- weise etwas anderes; aber der durchschnittliche Taxifah- rer? Der für jemand anders fuhr? Vierzig, fünfundvierzig, vielleicht manchmal fünfzig Dollar die Woche, wenn er Glück hatte. Auch für einen Mann wie ihn, kinderlos und mit einer Frau, die Vollzeit bei einer Telefongesellschaft arbeitete, war es kein Honiglecken. Ich konnte jeden Taxifahrer fragen, wenn ich ihm nicht glaubte; es war kein Honiglecken. »Und Sie glauben doch nicht etwa, daß jemand anders für die Geschichten bezahlt, oder? Oder?« Er schaute mich ungläubig an, fast als wäre er bereit, in Lachen auszubrechen, als würde der Gedanke, daß ich so etwas hatte glauben können, jeden vernünfti- gen Zweifel an meiner Beschränktheit ausräumen.
»Bob, es tut mir leid, daß es da ein Mißverständnis ge- geben hat«, sagte er und brachte mich zur Tür, »aber ich bin froh, daß jetzt alles geklärt ist. Denn ich meine es ernst, Sie haben da eine wunderbare Geschichte geschrie- ben, und ich habe das Gefühl, daß daraus was wird. Ich sag Ihnen was, Bob, ich werde mich später in der Woche bei Ihnen melden, okay?«
Und ich erinnere mich, daß ich mich verachtete, weil ich nicht den Mumm hatte, ihm zu sagen, er solle sich nicht weiter bemühen, genausowenig wie ich die schwere, väterliche Hand in meinem Nacken abschütteln konnte, als wir zur Tür gingen. In der Nische, vor dem jungen Hornisten, kam mir plötzlich der beunruhigende Ge- danke, daß ich den Wortwechsel vorhersagen konnte, der gleich stattfinden würde. Ich würde sagen: »Bernie, waren Sie wirklich
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