Elfen wie Diamant
für diese Gewissheit und bezweifelte, dass er einen Grund dafür hätte nennen können, selbst wenn er es versucht hätte. Dieses Wissen überstieg alles, was er mit Worten hätte ausdrücken können. Sein ganzes Leben lang war er von Wut erfüllt gewesen. Sie brannte in ihm, und irgendwann hatte er diesen Schmerz genossen. Er hatte sich nie lebendiger gefühlt, als wenn er aus Leibeskräften geschrien und Hals über Kopf den Feind angegriffen hatte. Jetzt jedoch ⦠jetzt sah er die ersten Schritte auf einem neuen Pfad, der ihn hinter den Horizont der Schlacht führte.
Er holte tief Luft und lieà sein Lachen verklingen. Dann sollte es so sein. Man musste immer einen Preis zahlen, und sein Preis war eben gröÃer als der, den die meisten anderen zu zahlen hatten. Er würde ihn tausendmal zahlen müssen, um das zu beenden, was die Schattenherrscherin begonnen hatte. Er würde nicht länger ein Bauer auf dem Schachbrett
sein. Nicht für sie, nicht für das Imperium und nicht für seine Wut. Er lieà die Schultern kreisen und richtete sich gerade auf. Sein Körper entspannte sich, als sich die Muskeln lockerten. Er fühlte sich ⦠gröÃer, stärker, lebendiger, als er sich seit Langem gefühlt hatte. An einem anderen Ort hätte er vielleicht so etwas wie Glück empfunden, aber das Gemetzel um ihn herum sorgte dafür, dass dieses Gefühl ihm fernblieb. Wenn überhaupt so etwas wie Freude zu empfinden war, dann in dem Wissen, dass er sie vernichten würde, bevor er selbst seinen letzten Atemzug tat.
Konowa registrierte, dass es um ihn herum still geworden war. Das Geräusch von Rallies Federkiel, der über das Pergament kratzte, war verstummt. Er blickte hoch. Die Sterne waren verschwunden, und der Himmel war von dicken Wolken überzogen.
»Es scheint zu schneien, Major«, erklärte Rallie, so mürrisch und sachlich wie immer. Konowa war erleichtert, dass sie aufgehört hatte zu weinen. Damit wäre er nicht zurechtgekommen, jedenfalls nicht im Moment.
Er schüttelte den Kopf, und Schnee fiel von seinem Tschako. Das ist nicht gut. Konowa war noch nie zuvor in der Wüste gewesen und hatte nicht die geringste Ahnung von den jährlichen Regenfällen oder anderen Wetterereignissen in den Südlichen Einöden. Trotzdem war er sich ziemlich sicher, dass vor der heutigen Nacht die Wahrscheinlichkeit, dass Schnee diese normalerweise von der Sonne geröstete Landschaft bedeckte, mehr oder weniger »gegen null« tendiert hatte. Und ohne seine Ankunft wären die Chancen, dass in dieser öden Wüste jemals Schnee fallen würde, auch bei null geblieben, wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit. Aber selbstverständlich veränderten diese verdammten Sterne all das.
Konowa wandte seinen Blick nach Norden. Der Forst der Schattenherrscherin blockierte seinen Blick. Dass sich diese
bösartigen Bäume und die vielen tödlichen Kreaturen, die in der brutalen Umarmung dieses Forsts umherstreiften, zurückzogen, hätte ihn trösten sollen. Sie wurden von der Macht zurückgedrängt, die der gefallene Blaue Stern, das Juwel der Wüste, freigesetzt hatte. Der Stern hatte sich in einen gewaltigen Baum verwandelt, der sich hoch über den Boden des Tals erhob; das blaue Feuer seiner Energie loderte aus Ãsten, Zweigen und Blättern und färbte jeden Schatten kobaltblau. Konowa hätte gern Trost in dem Wissen gefunden, dass hier wie auch in Elfkyna die Macht des Sterns gröÃer war als die der Schattenherrscherin. Aber es gelang ihm nicht.
Einer der Gründe dafür stand nur ein paar Meter von ihm entfernt und beobachtete ihn.
Konowa riskierte einen kurzen Blick auf Soldat Alwyn Renwar. Der Soldat, falls er denn noch einer war, hatte sich seit seiner Transformation nicht gerührt. Früher einmal war er ein schüchterner, zitternder Junge gewesen, der kaum in der Lage war, eine Muskete ruhig zu halten, und vor seinem eigenen Schatten erschrak ⦠Jetzt jedoch befehligte er die Schatten der Toten.
Zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort hätte die einsame Schlacht des Soldaten Renwar gegen einen vor langer Zeit gestorbenen Drachen, der auf magische Weise von den skelettartigen Ãberresten geopferter Leichen reanimiert wurde, ihm die höchste Tapferkeitsmedaille und ein Heldenbegräbnis eingebracht. Denn niemand hätte die Vernichtung dieses Monsters
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