Elfenlord
unaussprechlicher Trauer registrierte Madame Cardui, dass der einzige Abwesende von Bedeutung Alan war. Sie würden seinen Rat schmerzlich vermissen. Sie überlegte kurz, wen Blue wohl zum neuen Torhüter ernennen würde. Ihr kam kein offenkundiger Anwärter in den Sinn.
Die großen Türen des Thronsaales schlossen sich und alle Blicke ruhten erwartungsvoll auf Blue.
Hairstreak muss dahintergesteckt haben
, dachte Madame Cardui – sie war sich eigentlich ganz sicher –, aber wie und warum wusste sie nicht.
»Es war mein Onkel«, sagte Blue ohne Vorankündigung, als hätte sie Madame Carduis Gedanken gelesen.
Stirnrunzelnd sagte Danaus: »Er hat das Zeitfieber verursacht?«
Blue nickte. »Er war die Ursache, ja.«
»Es war eine Art von Waffe, nehme ich an, Liebes?«, fragte Madame Cardui. »Kriegsführung mittels Krankheit? Er plante den Einsatz, um dich zu schwächen?«
Aber Blue schüttelte den Kopf. »Er hat nichts davon geplant, weder das Fieber noch einen Krieg. Keinen Putsch oder irgendetwas in der Art. Die Ausbreitung des Fiebers war nur eine Nebenwirkung seiner tatsächlichen Pläne.«
»Du kannst einem wirklich auf die Nerven gehen, Blue«, sagte Pyrgus ungeduldig. »Erzähl uns doch bitte einfach, was passiert ist, und zieh es nicht so in die Länge.«
Blue unterdrückte ein Lächeln und sagte majestätisch: »Gut. Du weißt, wie viel Geld und Einfluss unser Onkel verloren hat, als ich Herrscherin von Hael wurde …?«
Pyrgus sagte: »Du redest über den Sklavenhandel? Die Art, wie er Geld mit Dämonendienern zu machen pflegte?«
»Genau darüber rede ich. Er hat versucht, sein Vermögen wiederzuerlangen, indem er den Handel wiederbelebte.«
Diesmal runzelte Pyrgus die Stirn. »Aber das konnte er doch nicht. Du hättest ihm doch nie, so wie Beleth, gestattet, Dämonen auszubeuten.«
»Nicht Dämonen«, sagte Blue. »Engel.«
Es herrschte beinahe fünfzehn Herzschläge lang absolutes Schweigen im Thronsaal, dann sagte Madame Cardui: »Das kannst du nicht ernst meinen, Liebes.«
»Absolut«, sagte Blue ruhig. »Hairstreak hat unseren alten Freund Brimstone damit beauftragt, einen Engel heraufzubeschwören und gefangen zu nehmen – Brimstone war ein äußerst geschickter Dämonologe, wie Sie sich erinnern werden. Ich weiß nicht genau, wie es ihm gelungen ist, aber er hat den Auftrag ausgeführt. Hairstreaks Idee war, Engel im großen Stil zu fangen und dann als Diener – letztlich als Sklaven – zu vermieten, sobald klar war, dass man sie zuverlässig heraufbeschwören und Brimstone demonstrieren konnte, dass er einen Engel gefangen zu halten vermochte. Engel sind äußerst mächtig, das wissen wir alle – weit mächtiger als Dämonen. Das Potenzial für solch ein Unternehmen ….« Sie zuckte mit den Schultern. »Also, für jemand Skrupellosen ist es unerschöpflich.«
»Einen Augenblick, Eure Majestät«, warf Danaus förmlich ein. »Was hat das jetzt mit dem Zeitfieber zu tun?«
»Es war die direkte Ursache, Oberzauberarztheiler«, sagte Blue. »Sie wissen, dass Haven sehr viel weiter vom Elfenreich entfernt ist als Hael. Brimstones brutale Gefangennahme auch nur eines einzigen Engels hat die Struktur unserer Realität einem ungeheuren Druck ausgesetzt. Sehr bald begannen Leute dies als Zeitsprung zu erleben – das,was wir Zeitfieber genannt und als Krankheit eingestuft haben. Aber es war keine Krankheit, eigentlich nicht. Es war eine Art, unsere Realität zu verzerren.«
Danaus sah entsetzt aus. »Warum um alles in der Welt hat dieser Brimstone den Engel nicht befreit, als er entdeckte, was geschah? Warum hat Lord Hairstreak das nicht angeordnet?«
»Sie wussten es nicht«, sagte Blue. »Keiner von ihnen. Sie dachten, Zeitfieber sei eine Krankheit, genauso wie alle anderen. Ich bezweifle, dass irgendjemand unter uns die Wahrheit herausgefunden hätte, wenn es da nicht –«, sie blickte kurz zu Henry hin, »– eine Intervention gegeben hätte.«
»Was für eine Intervention?«, fragte Pyrgus neugierig.
»Das ist nicht von Bedeutung«, sagte Blue mit fester Stimme. »Von Bedeutung ist, dass der Engel freigelassen wurde, dass unsere Realität sich wieder normalisiert und die Wirkung – das Zeitfieber, wie wir es nennen – nachlässt.«
Einen Augenblick lang sah Pyrgus so aus, als wollte er versuchen, mehr Druck auf sie auszuüben, um weitere Informationen zu erhalten, aber als er dann sprach, sagte er nur: »Was unternehmen wir wegen Onkel
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