Elfenwinter
seltsamen Akzent, der ihren Worten stets einen singenden Unterton gab. »Er hat mir das Leben gerettet.« Ihr Gesicht blieb ausdruckslos, während sie sprach.
Was sie wohl fühlte?, fragte sich Asla. Scham, weil ausgerechnet ein Menschensohn sie und die Königin vor dem Ungeheuer bewahrt hatte? Oder Dankbarkeit?
»Ich glaube, Gundar würde sich freuen, wenn er wüsste, dass auch du ihn in freundlicher Erinnerung behalten wirst.«
»Das weiß ich«, entgegnete die Elfe.
Ihre selbstsichere Antwort ärgerte Asla.
»Meine Sorge ist, dass es unter den Menschen des Dorfes schlecht aufgenommen wird, wenn ich den Toten nach eurem Brauch ehre.«
»Für die anderen kann ich nicht sprechen«, entgegnete Asla kühl. »Aber mich beleidigst du nicht, wenn du Gundar Respekt erweist.«
Die Elfe neigte den Kopf. Eine Weile betrachtete sie gedankenverloren das Grab. Schließlich zog sie ihren Dolch, schnitt einen Stoffstreifen von ihrem Umhang und knotete ihn an einen der Äste. »Ich war ihm sehr nahe, als er starb.«
Asla dachte an den Kuss, den die Elfe dem sterbenden Priester gegeben hatte. Yilvinas Verhalten war ihr sonderbar vorgekommen, aber nicht falsch. Sie hatte nicht verstanden, was da geschehen war, aber sie hatte gespürt, dass die Elfe um Gun-dars Leben gekämpft hatte.
»Die Wände seines Herzens waren so dünn wie Pergament. Sein Gott muss eine schützende Hand über ihn gehalten haben. Eigentlich hätte er schon lange nicht mehr leben dürfen. Ein üppiges Mahl, ein Spaziergang am Fjord. All das hätte schon genügen können, ihn zu töten. Er hat deinen Jungen sehr gemocht. Dass er Ulric getragen hat, war nicht sein Tod. Und auch nicht der Biss des Geisterhundes. Seine Zeit war gekommen. Er ist in Frieden gegangen.«
Asla biss sich auf die Lippen. Sie wollte etwas sagen, doch ein Kloß im Hals erstickte ihre Stimme. Woher wusste Yilvina um die Vorwürfe, die sie sich machte? Bisher hatte sie geglaubt, dass die Elfenkriegerin sich um nichts anderes als das Wohlergehen ihrer Königin kümmerte. Sie wirkte immer so kalt und teilnahmslos. Und doch hatte sie mit scharfem Blick erkannt, was Asla das Herz aufwühlte.
Yilvina griff nach Ulrics Hand. »Lasst uns hinauf ins Haus gehen. Gundar schätzt es eher, wenn man bei einem guten Essen an ihn denkt, als wenn man es frierend an seinem Grab tut.«
STEINERNE ZEIT
… Fast noch unerträglicher als die Kämpfe, die folgen sollten, war die Zeit des "Wartens. Elf Tage vergingen, bis die Trolle vor Phylangan aufzogen. Tage voller Zuversichtlichkeit und Anspan nung. "Wir wussten, wie stark unsere Festung war. Ein Sturmlauf auf das Tor zum Schneehafen musste ein Massaker werden. Fast unsere gesamte Streitmacht lag in den Stellungen der langen Bergflanken. Jede Schießscharte war besetzt. Auch der Turm am Ende der Mandan Falah war vollendet worden. Wer immer Phylangan durch den Albenstern betreten wollte, dem würden hundert Pfeile entgegenfiiegen. Auf der engen Brücke war es so gut wie unmöglich, die Gegner zu verfehlen.
Doch obwohl unser Kriegsmeister Ollowain eine ruhige Zuver sicht ausstrahlte, verblieb bei vielen eine Anspannung. "Würden die Trolle uns auch diesmal wieder überraschen?, war die bange Fra ge, die sich manche heimlich stellten. Die Spannung wich erst, als der große Heerwurm am Horizont aufzog. Obwohl ich ihr Heer schon am Rosenberg gesehen hatte, war ich erschrocken von ihrer bloßen Zahl. "Wie ein schwarzer Makel füllten sie den gesam ten Horizont. Und es war erschreckend, wie sehr sie sich verän dert hatten. Sie hielten Disziplin! Sie schlugen ein geordnetes H eerlager auf! Natürlich würde man sie niemals mit einem Elfen heer auf dem Marsch vergleichen können, doch damals schien es mir so, als seien sie geordneter als unsere Verbündeten, die Ken tauren.
Zwei ganze Tage ließen die Trolle sich Zeit, um ihren Angriff vorzubereiten. Erst Jahre später begriff ich, dass dies ihre "Waffe war: die selbstgefällige Ruhe und das "Warten. Sie hatten sich sehr verändert in den Jahrhunderten ihrer Verbannung!
Wenn ich an die langen Tage vor dem Angriff zurückdenke, dann beherrscht jedoch nichts so sehr meine Erinnerung wie der Schrecken, den ein böser Geist in Phylangan verbreitete.
Er schien überall zu sein und hinterließ eine Spur des Todes. Mal fanden wir sieben Tote in einer Bognerwerkstatt der Kobol de. Dann lagen fünf Menschen tot in ihren Betten im Krankenla ger. Besonders den Anblick von zwei Kentauren, die wohl ihren Rausch
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