Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
vernachlässigte seinen Körper und suhlte sich zu oft im Selbstmitleid. Das alles wusste Robert selbst, aber Nadja erinnerte ihn immer wieder daran, damit dieses Verhalten nicht zu sehr vertraute Gewohnheit wurde. Oder Resignation. Oder, schlimmer noch – Gleichgültigkeit.
Warum tat sie das? Warum schätzte sie seine Freundschaft? Weil sie beide einsam waren? Weil er nie »mehr« wollte, keine besonderen Ansprüche hatte? Weil sie ihn …
»Aufwachen, Träumer!« Nadja stand auf. »Wir haben bis morgen Zeit für unsere Reportage über die Modenschau. Ich werde aber schon mal anfragen, ob wir für einen zweiten Auftrag hierbleiben können. Da wird sich bestimmt was ergeben; im September ist in Paris einiges los. Zwischenzeitlich spielen wir Detektiv und versuchen, das Mädchen und den Igel zu finden.« Wiederum lachend, schüttelte sie den Kopf. »Ein Igel mit roter Mütze, ist das zu fassen! So was passiert einem auch nur in Paris.«
Nadja fand schnell heraus, welche Agenturen Models zur Modenschau geschickt hatten. Es waren nur drei, also sollten sie bald fündig werden. Mit einem Foto in der Hand klapperten sie die Agenturen ab und hatten bei der zweiten Glück.
Die Galerie war in der Nähe der Galeries Lafayette zu finden, des bekannten Einkaufszentrums. Dort erhob sich ein vollständig umgebauter, ehemals barocker Komplex, in dem zwei Werbeagenturen, eine Filmproduktionsfirma, ein Verlag und besagte Modelagentur mit dem sinnigen Namen »Jolie Femme« residierten.
Das Mädchen am Empfang erkannte das Model auf dem Foto sofort. »Ja, das ist Rian. Sie wird gern gebucht. Aber sie nimmt nur Aufträge in Paris an.«
»Très bien! Dann habe ich ja vielleicht Glück und kann ein Interview mit ihr führen?«, meinte Nadja lächelnd. »Mein Magazin möchte hinter die Kulissen blicken und die Models zu Wort kommen lassen, die aktuelle Mode vorführen.«
Das Mädchen zog die hübsche, leicht sommersprossige Nase kraus. Es hatte kurze blonde Wuschelhaare und sah nicht älter aus als achtzehn. Es war blass und dünn, aber zu klein für eine Modelkarriere. Also blieb ihm wohl nur der Empfang. »Rian ist schwer zu erreichen. Normalerweise kommt sie immer her, um Post abzuholen und nach Aufträgen zu fragen.«
»Aber sie hat doch bestimmt ein Handy«, vermutete Nadja.
Das Empfangsmädchen schüttelte den Kopf. »Nein, sie hat Angst vor der Strahlung.«
»So schwer erreichbar, und da wird sie von euch engagiert? Und auch noch gebucht?« Robert blickte ungläubig.
Das Mädchen hob die Schultern und fing an, geräuschvoll auf dem zuvor in die Wange geschobenen Kaugummi herumzukauen. Sie hielt die beiden Journalisten wohl nicht für so bedeutend, um weiterhin der Repräsentationspflicht nachkommen zu müssen.
Nadja zeigte sich geduldig. »Wie können wir zu ihr Kontakt aufnehmen?«
»Sie können eine Nachricht hinterlassen.«
»Also gut. Und was schreibe ich auf den Umschlag?«
»Was Sie wollen. Rian genügt.«
»Tut mir leid, das ist mir zu vertraulich. Ich brauche wenigstens den Nachnamen.«
Das Mädchen ignorierte das Telefon, das gerade einen Anrufer meldete. »Na schön, Rian Bonet. Aber mehr darf ich Ihnen wirklich nicht sagen.«
»Das ist doch schon prima«, strahlte Nadja. »Falls Sie sie sehen, sagen Sie ihr bitte, dass ich sie unbedingt bald sprechen muss. Das könnte entscheidend für ihre Karriere sein. Werden Sie ihr das ausrichten?«
»Klar«, sagte das Mädchen, was womöglich ein Synonym für
Nein
darstellte. Wahrscheinlich hatte es die Bitte schon ab dem Moment vergessen, sobald Nadja aus der Tür war.
Das Telefon läutete immer noch. Das Mädchen nahm das schnurlose Gerät auf, betätigte eine Taste und gleichzeitig eine andere. Es wurde still.
»Könnte ich bitte noch Papier und einen Umschlag bekommen?«, bat Nadja mit zuckersüßem Lächeln. »Dann sind Sie mich auch schon umgehend los.«
Das Mädchen zuckte geschmerzt mit den Lippen, kam aber der Bitte nach. Nadja verzog sich in einen cremefarbenen Ledersessel im Wartebereich, zückte einen Stift und begann zu schreiben.
Robert sah sich mit anerkennender Miene um. Die Lobby war großzügig wie eine kleine Hotelhalle gestaltet, mit Oberlichtern, hellen Teppichen, hellem Empfangstresen aus echtem Ahornholz, Palmen und teurer Sofagruppe. An der Wand hinter dem Tresen war in Riesengröße das Logo der Agentur angebracht, und darunter hing ein nicht minder opulentes, nach dem Design von Warhol gestaltetes Porträt eines Models.
»Schöner
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