Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
besonders auffällig geschminkt, gerade das hob es hervor. Sie hatte eine Art, sich zu bewegen, so als ob sie ein paar Zentimeter über dem Boden schweben würde. Und sie schien von innen heraus zu leuchten. Ihre Augen … Ich habe noch nie solche Augen gesehen, erst recht nicht bei einem so jungen Menschen. Auf den ersten Blick habe ich sie auf höchstens achtzehn geschätzt, aber sie muss viel älter sein.«
»Welche Farbe hatten die Augen?«, fragte Robert.
»Du willst mich aufs Glatteis führen, weil du genau weißt, dass man das bei Kunstlicht nie genau erkennen kann«, meinte Nadja, aber sie schien darüber nicht böse. »Die Farbe könnte violett gewesen sein, die Augen waren ziemlich groß. Aber … da war kein Weiß drin zu sehen. Die Iris füllte das ganze Auge aus. Bizarr.«
Robert nickte. »Das stimmt. Und jetzt sollten wir wirklich damit aufhören, Nadja. Schlaf erst mal drüber und reflektiere bei Tageslicht, was genau du gesehen hast.«
»Du glaubst, ich bin überreizt!«
»Ich glaube momentan gar nichts, meine Liebe, außer an die hirnvernebelnde Kraft des Whiskys und den lungenzerstörerischen Sog meiner Gitanes. Mehr interessiert mich für diese Nacht nicht mehr.«
Nadja sagte nichts dazu, aber sie war ein wenig verärgert. Sie fuhren den restlichen Weg mit der Metro und trennten sich schweigend. Robert suchte nach einer Bar, die noch offen hatte, und Nadja ging ohne Gutenachtgruß nach Hause. Die Wohnung gehörte einer befreundeten Pariser Kollegin, die meistens am Hollywood-Jetset unterwegs und höchstens dreimal im Jahr zwei oder drei Wochen in Paris war. Ein geräumiger Altbau mit sechs Zimmern, genug Platz auch für Robert.
»Nadja. Nadja! Wach auf!«
Nadja knurrte wütend und öffnete blinzelnd die Augen. Der Tag war gerade angebrochen, und Robert hatte sie aus einem zunehmend erotischer werdenden Traum gerissen, worüber sie äußerst erbost war. »Spinnst du?«, fuhr sie ihn an. »Seit wann bist du …« Dann erkannte sie endlich seinen Zustand und setzte sich auf. »Warst du überhaupt schon im Bett?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, und ich bin nicht einmal betrunken. Unser Streit in der Nacht hat mir keine Ruhe gelassen. Ich weiß, dass man sich bei dir vor allem auf eines verlassen kann: auf deine Instinkte. Ich habe deinen Gesichtsausdruck gesehen, den du jedes Mal dann aufsetzt, wenn du die Witterung einer bedeutenden Spur aufgenommen hast.«
»Nun mach aber halblang.« Nadja rieb sich die Augen und gähnte. »Du hast recht gehabt, ich war überreizt und habe mal wieder den Bogen überspannt. Tut mir leid, wenn ich dir damit den Ausklang verdorben habe, aber ein gemeinsamer Absacker hätte es nicht besser gemacht. Ich hätte keine Ruhe gegeben …«
»Nadja, hör mir doch endlich einmal zu!«, unterbrach er sie ungehalten. »Ich habe mir die Bilder von der Digitalkamera angeschaut. Die anderen gebe ich nachher zur Entwicklung ab, aber ich denke, da wird nichts Besonderes drauf sein. Es funktioniert nämlich nur digital, verstehst du?«
»Kein Wort.« Nadja zog die Knie an und stützte schläfrig den Kopf auf die Hand.
»Diese …
besonderen
Aufnahmen«, setzte Robert zu einer Erklärung an und rüttelte sie leicht an der Schulter. »He, nicht wieder einschlafen, es geht hier um ernste Dinge!«
Sie grinste versöhnlich. »Ist ja schon gut. Weiter im Text.«
Robert zeigte ihr einen Abzug, den er mit dem Photoprinter selbst ausgedruckt hatte. »Ist sie das? Die mit den spitzen Ohren?«
Nadja betrachtete das Bild grübelnd. »Glaub schon«, antwortete sie. Dann nickte sie. »Ja, das ist sie, wenngleich ziemlich verschwommen. Da hat es dir wohl ein bisschen die Optik verschoben, denn der Hintergrund ist gestochen scharf.«
»Ich denke nicht, dass es an der fehlerhaften Einstellung liegt.« Roberts Stimme bekam einen eindringlichen Klang. »Meine Digikamera hat einige Programmvoreinstellungen. Normalerweise fotografiere ich im manuellen Modus, aber gestern hat mich irgendwie der Spieltrieb gepackt, und ich habe verschiedene Effekte voreingestellt und ausprobiert.« Robert redete sich immer mehr in Fahrt, und die Müdigkeit der schlaflosen Nacht schien ihn zusehends zu verlassen. »Einer davon ist eine Falschfarbenaufnahme, also etwa so in der Art, wie eine Biene sieht, wie im Infrarot-Bereich. Und da … Aber sieh selbst.«
Er hielt Nadja einen Stapel Fotopapiere hin.
»Iihh«, machte Nadja. »Das können wir wohl kaum anbieten. Als ob ich eine Runde LSD eingeworfen
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