Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
sogar Ornella genannt, wie Ornella Muti, was haben wir gelacht, Roger …«
»Ach ja, jetzt erinnere ich mich wieder! Und wie geht es dir?«
»Oh, bestens! Ich hatte schon erwartet, dich hier zu treffen, nachdem ich dir ausführlich von meiner Arbeit als Journalistin erzählt habe und der großen Chance, für ein deutsches Frauenmagazin von der Prêt-à-Porter berichten zu dürfen …«
»Ah … ja. Natürlich, du warst sehr aufgeregt. Tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe, aber ich habe so viel zu tun …«
»Ich doch auch, mein Lieber, ich doch auch!« Nadja winkte lachend ab. »Nun, ich glaube, wir sollten nicht so lange plaudern, hinten werden die Leute schon ungeduldig, und das kann ich verstehen, wenn man so lange warten muss … Wir stehen schon seit zwei Stunden an! Stell dir das vor! Immer drängelt sich jemand vor, der sich für was Besseres hält. Keine Ahnung von französischer Lebensart, n’est-ce pas?« Sie zwinkerte schelmisch, und dann kramte sie fünf Minuten lang in ihrer Handtasche nach der persönlichen Einladung und dem Presseausweis.
Robert, stets sehr akkurat in solchen Dingen, hatte seinen Ausweis längst gezückt und die beiden Kameras, Digital- und Kleinbild-Spiegelreflex, deutlich sichtbar vor der Brust baumeln. Wenn er zwei Dinge auf der Welt liebte, waren es seine teuren Kameras. Deshalb hatte er vor jeder Sicherheitskontrolle eine teuflische Angst und achtete darauf, von vornherein Ehrlichkeit und Professionalität zu demonstrieren.
Roger ignorierte ihn und ebenso alle anderen Wartenden. Die ersten von ihnen beschwerten sich und fragten deutlich nach, wieso sich jemand vordrängeln würde, der seine Sachen nicht einmal parat hätte.
Solche Dinge kümmerten Nadja überhaupt nicht. Mit ihrem fast akzentfreien Französisch plapperte sie unentwegt auf Roger ein und kehrte ihre Handtasche nach außen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie die Unterlagen vergessen hätte – aber diesmal hatte sie sie dabei. Sie hielt Roger Ausweis und Einladung vor die Nase, packte Robert am Jackenärmel und wollte ihn mit sich ziehen, als Roger die Hand hob.
»So kommt der nicht rein«, sagte er.
»Wieso?«, fragte Nadja verdutzt. »Sein Ausweis ist in Ordnung, und in meiner Einladung steht, dass ich einen Fotografen mitbringen darf. Nun, das ist mein Fotograf.«
»Nicht in dem Aufzug.«
»Was soll das bitte heißen?«
»Dass er so angezogen nicht reinkommt.« Roger betrachtete Robert mitleidig. Sie beide trennten zwei Konsonanten und fünfzehn Jahre unbeschwerte Jugendlichkeit samt Bodybuilding und gutem Geschmack fürs Outfit.
»Was gefällt dir an
meinem
Aufzug nicht?«, fragte Nadja und stellte sich in Positur. Sie trug einen schlichten zweireihigen dunkelblauen Anzug, auf Taille geschnitten, was ihre schmale Figur betonte, und schwarze Stiefeletten mit halbhohem Absatz.
»Dein Styling ist doch in Ordnung«, antwortete Roger, »du siehst gut aus. Er aber nicht.«
Nadja betrachtete Robert, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Robert seinerseits tat so, als wäre er nur eine Statue, die sich von selbst bewegen konnte, aber nichts hörte, nichts sah und keine Sprechveranlagung besaß. »Er trägt eine Krawatte.«
»Darum geht es nicht.«
»Er trägt Hose, Hemd, Krawatte und Jacke. Seine Schuhe sind aus italienischem Leder. Ich habe sie ihm selbst ausgesucht und geschenkt.«
»Die Sachen sind …«
»Ah, verstehe!« Nadja runzelte gereizt die Stirn. »Wer zu so einer Veranstaltung geht, muss also Geld haben und das auch deutlich sichtbar spazieren führen. Aber du missverstehst da was, Roger: Wir beide sind hier, um zu arbeiten, genauso wie du. Wir kriegen unsere Arbeitsklamotten nicht gestellt, im Gegensatz zu dir. Und Robert ist von zwei Ehefrauen geschieden, die inzwischen gemeinsame Sache machen und ihn bis aufs Hemd ausziehen, sodass er zwei bis drei Jobs gleichzeitig erledigen muss, um überhaupt über die Runden zu kommen. Und das willst du ihm zum Vorwurf machen?«
Roger machte ein verlegenes Gesicht. »Natürlich nicht«, murmelte er.
»Hier geht es nicht um Haute Couture und Einzelstücke, sondern um Präsentation von Kleidung, die jeder tragen und kaufen kann, sprich – von der Stange. Robert ist Fotograf, er nimmt die Sachen auf, er führt sie nicht vor. Niemand sieht ihn, weil er hinter dem Rampenlicht steht. Er trägt eine Krawatte und anständige Schuhe. Und jetzt gehen wir rein, Roger, bevor ich sehr böse werde und mich bei Jean über dich beschweren muss und
Weitere Kostenlose Bücher