Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
blühten, trennten in der Mitte die beiden Fahrtrichtungen voneinander und machten selbst eine sterile, künstliche Autobahn zu einem optischen Erlebnis. Das Wetter war schön, auch heute würde es wieder ein warmer Tag werden. »Dabei brauchen wir dringend Regen«, erklärte Claudio bei der Auffahrt auf die Autobahn. »Es ist viel zu warm und zu trocken für die Jahreszeit.«
Das störte Nadja nicht, schließlich kam sie gerade aus dem Winter und konnte gar nicht genug Wärme und Sonne bekommen. Sie fühlte sich erholt und ausgeglichen und war voller Vorfreude. Ihrem Vater erging es nicht anders.
Bereits beim Frühstück hatten seine Augen so vergnügt gefunkelt wie schon lange nicht mehr.
»Und du hast wirklich nicht gewusst, dass sie hier lebt?«, hatte Nadja wissen wollen.
»Nein, cara«, hatte Fabio versichert. »Julia hat es mir nie gesagt, damit ich nicht in Versuchung komme.«
Das leuchtete Nadja ein. Jahrhundertelang hatte nichts ihren Vater daran hindern können, nach der Frau zu suchen, die er liebte. Aber ein paar Fragen hatte sie trotzdem noch. »Warum hat sie mich damals nicht mitgenommen, als sie untergetaucht ist?«
»Weil sie wusste, dass du bei mir sicherer bist. Sie hätte dich nicht ausreichend schützen können.« Fabio hatte inzwischen den fünften oder sechsten Würfelzucker in seinen Kaffee geworfen, schaute unglücklich auf den Haufen in seiner Tasse, den er gerade umrühren wollte und der über die Flüssigkeit hinausragte, und bat um eine neue Tasse.
»Und wie hast du jetzt erfahren, dass sie hier ist?«
»Sie … sie …«
Nadjas bernsteinfarbene Augen wurden rund. »
Sie
hat sich mit dir in Verbindung gesetzt?«
»Ja«, murmelte er. »Ich habe doch eine Anrufweiterleitung auf mein Handy, die auch im Ausland funktioniert, und meine Festnetznummer hat sich seit damals nicht geändert. Sie rief mich an.«
»Mann!« Nadja schmierte Butter auf den Teller statt auf das Croissant. »Was hast du dabei gefühlt?«
»Ich bin ohnmächtig geworden.«
Nadja kicherte und schob mit dem Croissant mühselig die Butter zusammen, dann nahm sie das Messer zu Hilfe und betrachtete stirnrunzelnd das mittlerweile total ramponierte Gebäck.
»Nein, wirklich.« Fabio trank versehentlich aus der falschen Tasse, die nicht abgeräumt worden war, und verzog das Gesicht. »Also, das Frühstück hier …«
»Ja, was die hier so
Croissant
nennen … Aber erzähl weiter«, forderte sie ihn auf.
»Natürlich erkannte ich die Nummer nicht, wohl aber ihre Stimme. Es haute mich einfach um, zog mir den Boden unter den Füßen weg, und dann war ich weg. Nicht sehr lange, glaube ich, denn ich hörte sie nach mir rufen, als ich wieder zu mir kam. Doch ich hatte kurz einen totalen Blackout. Und dann brachte ich kaum ein Wort heraus, aber Julia auch nicht. Sie sagte nur: ›Komm sofort hierher, es gibt Schwierigkeiten‹ und gab mir die Adresse ihrer Eltern. Dann legte sie auf.«
Nadja schmunzelte bei der Erinnerung, während sie aus dem Taxifenster auf die sizilianische Landschaft schaute. Dass es ihren stets coolen Vater einmal aus den Socken gehauen hatte, war kaum vorstellbar. Aber es gefiel ihr. Und machte sie erst recht neugierig auf die Frau, die eine wandernde Seele trug und ihre Mutter war.
Claudio plauderte unterdessen unentwegt. Sein Deutsch war sehr gut, mit dem typisch weichen Akzent, bei dem Nadja immer ganz schwach wurde, aber sie war ihm wegen der Hörnchen-Fummelei immer noch böse. »Hat hier Circe gelebt oder wer, dass die so eine Heidenangst vor dem bösen Blick der Frauen haben?«, wisperte sie Fabio zu, der grinsend die Schultern hob.
»Galatea, Arethusa, Artemis, Persephone, um nur einige zu nennen. Und dann sind da noch Skylla und Charybdis.«
»Haben die Mosaikmädchen auch damit zu tun?«
»Mhm.«
»Soso …«
»Aber das ist eben Sizilien, versteht ihr?«, drang Claudios Stimme in ihre leise Unterhaltung. »Glaubt ihr, ich wollte Taxi fahren? Habe ich deswegen in Deutschland gearbeitet? Ich habe versucht, ein eigenes Geschäft aufzubauen, aber damit kommt man hier nicht weit. Mafia, alles nur Mafia, da funktioniert doch nichts. Es gibt keine Regeln, keine Ordnung und überall nur Dreck. Aber was soll ich machen? Ich habe Familie.« Dann schwärmte er weiter von Deutschland, aber Nadja hörte nicht mehr zu, sondern sah träumend hinaus.
2 In Skyllas Fängen
Radionachrichten Telecolor International SPA: … laut einer aktuellen Meldung ist soeben eine durch äußere Gewalteinwirkung
Weitere Kostenlose Bücher