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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und einer Unzahl kleiner Plastikschildchen mit schwarzen Zahlen ab, die an den unmöglichsten Stellen herumstanden, hätte man meinen können, dass Alica und sie das Haus gerade erst verlassen hatten.
    Sie erinnerte sich wieder daran, weshalb sie eigentlich hergekommen war, machte einen Schritt auf die Treppe zu und blieb dann noch einmal stehen. Ihr Herz fing an schneller zu schlagen, und so ziemlich alles in ihr begann sich gegen die bloße Vorstellung zu sträuben, noch einmal in Estebans Zimmer zu gehen, doch ihre Stiefel schienen das für eine gute Idee zu halten.
    Die Tür war mit einem amtlich aussehenden Siegel verschlossen, das sie ohne eine Spur schlechten Gewissens erbrach, und der Raum dahinter war so dunkel, dass sie nicht einmal Schatten sah. Trotz der Gefahr, dass jemand von außen das Licht entdeckte und die falschen (oder auch richtigen) Schlüsse daraus zog, tastete sie nach dem Lichtschalter, legte ihn um und schloss für einen kurzen Moment die Augen, um sich an das grelle Licht der nackten Glühbirne zu gewöhnen, die über dem Schreibtisch hing.
    Es gelang ihr nicht völlig. Zeit ihres Lebens hatte sie sich über Estebans Geiz geärgert, der wahrscheinlich nicht einmal wusste , dass es Glühbirnen mit mehr als vierzig Watt Leistung gab, aberin den Wochen, die hinter ihr lagen, hatten sich ihre Augen an den Schein von Kerzen und Öllampen gewöhnt, sodass ihr das matte elektrische Glühen trotzdem fast die Tränen in die Augen trieb.
    Dennoch sah sie fast schon mehr, als sie wollte.
    Das Zimmer glich einem Schlachtfeld. Nicht jenem anderen, apokalyptischen Schlachtfeld, von dem sie vor gerade einmal einer oder anderthalb Stunden geflohen war und auf dem vermutlich jetzt noch Menschen zu Hunderten, wenn nicht zu Tausenden starben, aber auf seine Art war der Anblick genauso erschreckend, wenn nicht sogar schlimmer.
    Esteban war hier drinnen gestorben. Irgendwie (und dank des einen oder anderen dramatischen Umstandes, der ihr Leben in den letzten Wochen bestimmt hatte) war es ihr bisher gelungen, diese Erkenntnis nicht wirklich an sich herankommen zu lassen – an ihren Intellekt, ja, aber nicht an ihre Seele –, doch nun funktionierte dieser Schutz nicht mehr. Sie hatte gewusst, dass das passieren würde, aber nicht, wie schlimm das für sie wäre.
    Der zerschrammte Tisch, an dem Esteban immer gesessen hatte und seinen Arbeiten nachgegangen war, stand jetzt so schräg wie ein schlampig eingeparkter Wagen da, und nicht mehr an der richtigen Stelle, sodass die nur an einem Draht baumelnde Glühbirne nicht mehr die Platte beschien, sondern den Fußboden daneben. Außerdem war die Platte leicht geneigt, weil eines der Beine abgebrochen war, als der Barbarenkrieger dagegen geprallt war. Papiere, aufgeschlagene Bücher und zerknitterte Zeitschriften lagen noch immer in derselben chaotischen Unordnung herum, in der sie vor drei oder vier Wochen heruntergefallen waren, und ihr Anblick entlockte Pia ein dünnes, trauriges Lächeln. Esteban und seine Papiere waren hier im Haus ein Anlass für gutmütige Frotzeleien gewesen, so lange sie sich zurückerinnern konnte, und vermutlich auch schon vorher. Er war ständig mit irgendwelchen Papieren beschäftigt gewesen, las, machte sich Notizen und blätterte, führte irgendwelche ominösen Listen undsortierte etwas um oder heftete tonnenweise altmodisches Papier in noch altmodischeren Ordnern ab. Niemand hatte je wirklich begriffen, was er da eigentlich tat, das den Verwaltungsaufwand einer kleinen Bank erforderte. Das lag zum Teil daran, dass er seine Papiere gehütet hatte wie seinen Augapfel, zum Teil aber daran, dass es niemanden wirklich interessierte. Pia hatte sich immer wieder vorgenommen, Esteban eines Tages einfach danach zu fragen, und es immer wieder verschoben … und jetzt war es zu spät. Sie würde nie mehr erfahren, was Esteban über all diese Jahre und Jahrzehnte hinweg in seinen Ordnern abgeheftet und gesammelt hatte.
    Ganz kurz erwog sie, es nachzuholen, hier und jetzt und auf der Stelle, verwarf die Idee aber augenblicklich wieder. Esteban würde es zwar nicht erfahren, doch es wäre ihr trotzdem wie ein Verrat an ihm vorgekommen.
    Auch hier standen überall kleine Plastikschildchen mit aufgedruckten schwarzen Zahlen, und der chemische Geruch war so stark, dass sie im ersten Moment das Gefühl hatte, kaum noch Luft zu bekommen. Vielleicht war er auch gar nicht so schlimm … möglicherweise war sie einfach an bessere Luft gewöhnt, und was sie

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