Elfriede im Salon (German Edition)
sein, da er ja selber Kind einer Generation war, die vor dem Liebesspiel das Licht ausgemacht hatte. Vielleicht lag ja die Paradoxie beim Sex darin, dass das Selbstverständliche, das Natürliche, das milliardenfach praktizierte, seinen Reiz dadurch bekam, dass es im Dunkeln stattfand, somit geheimnisvoll blieb und an sich verboten war. Es ist ja auch nur schwer zu erklären, dass das Gewöhnliche soviel Erregung freisetzen konnte. Vielleicht gehörte ja Professor Hügel noch zu denjenigen, die das Licht ausgemacht hatten und tunlichst vermieden hatten, ins Badezimmer einzutreten, wenn die eigene Frau badete und vergessen hatte, abzuschließen. Andererseits war Professor Hügel Astronom und ein Astronom schaut sich gerne Sachen an. Wenn man vom Wahrscheinlichen ausging, so hatte Professor Hügel die Brüste seiner verstorbenen Frau mehrere tausendmal gesehen. Dieser Gewöhnungseffekt sollte eigentlich ausschließen, in Titten außerirdische Monster zu sehen. Robert Unmuth schied aus ähnlichen Gründen als Kandidat für solch abstruse, fast pathologische Vorstellungen aus, hatte er doch in früheren Jahren mit Hunderten von weiblichen Brüsten gespielt, mit großen und kleinen, dunklen und hellen und hatte sicher nicht dabei das Licht ausgemacht. Die bisher verfolgte Argumentation deutet an, dass der Fantasiegestörte Dr. Peter Schwarz war. Hatte er sich eben nicht eine Zwillingsschwester von Elfriede als “Gast” gewünscht, genau aus dem Grunde, Entfremdungserscheinungen klein zu halten. Und stattdessen trat diese vulgäre, dralle Person ein. Entfremdung, Verfremdung, war es nicht das, was Dr. Schwarz empfinden musste, zum einem, als sich die Nute neben ihm befand, zum anderen, als die Nutte - zwar in sicherem Abstand - ihre Bluse aufknöpfte und ihre großen, beunruhigenden Titten freilegte. War die Entfremdung zuvor noch mehr ein Gedanke, der sich von den Schenkeln, den zu ahnenden Arschbacken und den verborgenen Brüsten nährte, so wurde die Entfremdung real, konkret, als der Oberkörper der Prostituierten nackt war. Folgt man nun dieser Argumentation, so könnte der Eindruck entstehen, dass wenn man in seinem Leben kaum Gelegenheit gehabt hat, große, nackte Titten zu sehen, es normal sei, bei einem ersten Mal bei ihrem Anblick an außerirdische Monster zu denken, und nur der häufige, wiederholte Anblick der Monstertitten einen Gewöhnungseffekt mit sich bringt, der nicht mehr an Außerirdische denken lässt. Wenn die Sache an sich aber psychopathologisch ist, so könnte sie vielleicht auch auftreten, wenn genügend Gelegenheit im Leben bestanden hatte, weibliche Brüste kennenzulernen. Vielleicht war das mit den Außerirdischen auch nicht so ernst zu nehmen, weniger ein krankhafter oder perverser Gedanke, sondern ein Spaß, ein Spiel, dass man selbst Elfriede zutrauen konnte, die vielleicht in der Lage war, die Selbstverständlichkeit des eigenen Körpers auf den Kopf zu stellen. Immerhin gibt es eine Zeit im Leben einer jeden Frau, in der die Brüste anfangen zu wachsen und in der sie mit etwas Argwohn oder Ratlosigkeit die langsame Veränderung des Körpers beobachtet. Diese Erfahrung sollte in die Lage versetzen, später über die Anhängsel Witze zu machen. Somit konnte jeder im Salon Quelle der Fantasie, auch wenn es auf den ersten Blick wahrscheinlich erscheint, dass Dr. Peter Schwarz sich in solche Gedanken hinein geflüchtet hatte, vielleicht um sich stärker ängstigen zu können.
Die halbnackte Nutte saß auf dem aufgeklappten Ledersofa und wartete darauf, dass ihr Elfriede Champagner brachte. Im Grunde wartete sie darauf, dass überhaupt etwas geschah. Die Atmosphäre im Salon schien allen zu vermitteln, dass nichts geschehen würde, aber konnte das sein? Elfriede zögerte damit, ihren BH auszuziehen, war es doch offensichtlich, dass die Philosophen von den tollen Dingern der Nutte schockiert oder zumindest stark beeindruckt waren. Robert Unmuth war wieder der Erste, der die Sprache zurückfand, und sich aus dem emotionalen Verband, aus dem dummen Kollektiv löste.
“ Das Ziel des heutigen Abends ist es über den Sex und über die Lust zu philosophieren, wenn es auch den Anschein hat, dass Beklemmung Peinlichkeit, Entfremdung und alles andere Unangenehme zum Gegenstand der heutigen Diskussion werden. Dies sind ja durchaus nicht uninteressante Themen und es liegt nahe, wenn man schon keine Lust empfinden kann und nur Peinlichkeit, über Letztere zu philosophieren.” Zurzeit konnte sich
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