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Elke im Seewind

Elke im Seewind

Titel: Elke im Seewind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Gündel
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Kind, ein zehnjähriges Mädel, ganz plötzlich durch eine tückische Krankheit verloren hatte. Fräulein Brunkhorst hatte für die Preise sechs, acht Kinder im Auge gehabt, von denen sie bestimmt erwartet hatte, daß sie ihre Pflänzchen treu pflegen würden und die alle die Preise so gut brauchen konnten. Aber nur eines von diesen acht Kindern war erschienen: die durchsichtig zarte, kleine Ruth Behne. Fräulein Brunkhorst fragte sich, ob die Preise nun überhaupt verteilt werden konnten. Eigentlich ging das aber wohl nicht anders mehr, denn in ihrer anfänglichen festen Erwartung, daß viel mehr Kinder kommen würden, hatte sie schon allerlei geheimnisvolle Andeutungen gemacht und sich ausfragen lassen. Ob die Preise groß oder klein, dick oder dünn, aus Holz oder Eisen, teuer oder billig, zu essen oder nicht zu essen waren. Das Ergebnis dieser Ausfragerei war ein ganz sonderbares Sammelsurium geworden, fanden die Mädel. Als wenn es so etwas überhaupt gäbe, was aus allem zusammen bestand: aus Wasser und Luft und Holz und Eisen, Eßbarem und nicht Eßbarem, aus Lebendigem und nicht Lebendigem! Das mußte ja ein ganz seltsamer Preis sein.
    Als letzte der fünf Blumenpflegerinnen, die zwei Jahre durchgehalten haben, kommt Elke Tadsen an. Sie ist inzwischen ein hoch aufgeschossenes Mädel geworden und hat von der ihr eigenen frischen Natürlichkeit auch in der höheren Schule, die sie seit zwei Jahren besucht, nicht das geringste eingebüßt. Sie hält eine Fuchsie im Arm, die gerade eben anfängt, nach der Winterruhe frische Blätter zu treiben. Elke rümpft ein wenig die Nase, als sie ihren „Baum“, wie man in Hamburg sagt, vorweist. Es ist jetzt eine schlechte Zeit für Fuchsien, findet sie. Um Ostern herum sehen sie nach nichts aus. Im Sommer, wenn sie voll Blüten hängen — dann muß man sie sehen!
    Außerdem ist da nach Elkes Meinung auch noch ein anderer dunkler Punkt vorhanden. Sie war doch voriges Jahr den ganzen Sommer nach dem Sonnenhof verreist und hatte deshalb die Fuchsie fünf Monate lang nicht selber pflegen können. Aber auch, als sie wieder zurück war — sie möchte darin ganz ehrlich sein —, hat sie noch mehrere Wochen danach die Fuchsie immer wieder zu begießen vergessen. Die Mutter hatte sie manchmal deswegen ausgescholten.
    Als Elke Fräulein Brunkhorst den „Lebenslauf“ ihrer Fuchsie überreicht, sagt sie: „Da ist an einer Stelle eine große Lücke drin--nicht bloß wegen dem Sonnenhof.
    Auch hinterher hatte ich noch lange gar keine Lust zu der Fuchsie mehr. — Ich krieg keinen Preis.“
    „Wollen sehen“, sagt Fräulein Brunkhorst und nimmt Elke ihre Aufzeichnungen ab. Das Mädel hat sie in ein langes, schmales, grünes Kalenderbuch hineingeschrieben.
    Die Lehrerin fragt nach Katje Reimers. Katje ist Elkes beste Freundin, und Fräulein Brunkhorst hat bestimmt erwartet, daß sie auch mit ihrer Pflanze kommen würde. Aber Elke schüttelt den Kopf. Nein, Katje kommt nicht. Katje hat Pech gehabt. Ihr ist die Clivie diesen Winter erfroren. Es war ja lange so kalt.
    Fräulein Brunkhorst nickt. „Es war wirklich ein sehr langer, schwerer Winter. Wer seinen Ableger nicht erfrieren lassen hat, ist sehr sorgsam mit ihm umgegangen“.
    Endlich ist es ganz klar, daß außer den fünf Mädeln, die ihre Blumentöpfe gebracht haben, keine mehr kommen wird. Bescheid haben sie alle erhalten, das steht fest.
    Es geht nun an die genaue Betrachtung der großgewordenen Ableger und an die Durchsicht der Lebensläufe.
    Käte Jansens unscheinbarer, kleiner Ableger hat sich zu einer stattlichen Begonie entwickelt. Es war ein Ableger jener frühen Sorte, die, getrieben, schon zu Weihnachten in allen Läden in rosaroter Blütenpracht zu sehen ist. Kätes Pflanze hat frische junge Blättchen und auch schon einige Blütenknospen. Käte ist fest überzeugt, daß sie einen Preis bekommen wird. Als Lebenslauf hat sie ein ganzes Heft voll geschrieben, und Fräulein Brunkhorst hat schon einmal einen Blick hineingeworfen. Da las sie zum Beispiel: „Heute hat meine Begonie ihre letzte Blüte abgeworfen. Ich sah es gerade und wurde traurig darüber. Wie eine Träne tropfte die Blüte auf die Fensterbank herab. Es war ganz so, als wenn sie der scheidenden Sonne nachweinte.“ Oder ein paar Seiten vorher: „Ich habe meine Begonie auf den Balkon hinaus in den Regen gestellt. O wie die seidenen Blätter nachher glitzerten! Als wenn der Baum sich ein kostbares Gewand aus Gold und Edelsteinen angelegt hätte, sah

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