Ende (German Edition)
her!»
Ginés reißt María die CD aus der Hand. Er duldet keinen weiteren Protest, blickt kurz nach vorne, hält sich dann das Foto vors Gesicht, mit Abstand, fast an der Windschutzscheibe, sieht mal auf den Weg, mal auf das Foto.
«Das ist Amparo», sagt er schließlich und gibt María das Streitobjekt zurück.
«Stimmt, Amparo! Das hattest du gesagt, die mit dem Diadem im Haar oder diesem Band.»
«Hm, was fällt mir zu Amparo ein?», fragt Ginés sich selbst, nimmt eine Hand vom Lenkrad und massiert sich das Gesicht. «Im Grunde weiß ich nicht viel über meine Freunde, will sagen, ich habe sie seit damals nicht mehr gesehen. Was ich weiß, das weiß ich von Nieves, die hat über die Jahre den Kontakt gehalten.»
«Nieves ist die, die das alles hier organisiert, oder?»
«Genau, die, die uns das alles eingebrockt hat. Aber du wolltest etwas über Amparo wissen.»
«Ja, mal sehen, was sie für einen Musikgeschmack hatte.» María sieht auf der Liste nach. «Gazabo? Gazebo? I like Chopin. Sagt mir gar nichts.»
«Melodische Songs, die ein paar Monate überall zu hören waren und dann in Vergessenheit geraten sind. Oft gar nicht übel, zeugen sogar von einem gewissen Geschmack, von musikalischer Kultur. Dass Amparo jemals Chopin gehört hat, kann ich mir nicht vorstellen. Amparo, das war so eine Kleine, eine Quasselstrippe, mit einer kreischenden Stimme. Und frech, die hat manch einem die Leviten gelesen. Einmal hat sie sich in einem Imbiss mit dem Typen hinterm Tresen angelegt, der uns übers Ohr hauen wollte. Keiner hat sich getraut zu protestieren, nur sie. Wir waren damals noch sehr jung. Komisch, jetzt, wo ich darüber nachdenke, wird mir erst klar, wie mutig sie war. Aber damals haben wir sie nicht ernst genommen, zumindest wir Jungs nicht.»
«War sie hübsch?»
«Hübsch, na ja, wie man’s nimmt, eher durchschnittlich, würde ich sagen. Aber da war was in ihrer Stimme, das mich immer gestört hat. Sie hatte etwas von einem Raubvogel. Jetzt erinnere ich mich auch wieder. Schon merkwürdig.»
Ginés verfällt in ein nachdenkliches Schweigen.
«Was ist merkwürdig?»
«Das mit den Erinnerungen, dass sie wiederkehren, wenn man die grauen Zellen aktiviert. Auf einem Ausflug haben die Mädchen mal nackt im Fluss gebadet. Sie sind in Unterwäsche ins Wasser gegangen, und irgendwann hatten sie gar nichts mehr an, zumindest obenrum nicht. Wir Jungs machten gerade Feuer, kriegten aber schnell mit, dass irgendwas im Busch war, weil die Mädchen so gelacht haben. Hugo kam auf die glorreiche Idee, sich die Kleidung der Mädels zu schnappen und zu verstecken, aber sie haben ihn wegrennen sehen. Daraufhin hat er ihnen demonstrativ die Wäsche gezeigt, als wollte er sagen: Holt sie euch doch, wenn ihr genügend Mumm habt. Da ist Amparo langsam, ernst und würdevoll aus dem Wasser gewatet. Hugo ist regelrecht die Klappe runtergefallen. Sie hat sich die Klamotten zurückgeholt, einfach so, ohne dass er sich gewehrt hätte. Hinterher war es uns allen peinlich. Du kannst dir ja denken, wie wir damals drauf waren. Wir haben uns die Köpfe heißgeredet von wegen, ob die Mädchen Slips anhatten oder nicht. Die einen sagten nein, die anderen sagten ja, sie seien nur nass gewesen. Letztlich war es so, dass wir uns schlicht nicht getraut hatten, genauer hinzugucken.»
«Toll! Amparo wird mir immer sympathischer.»
«So toll nun auch wieder nicht. In der Clique galt sie danach noch mehr als Exzentrikerin. Oder schlimmer noch, sie war endgültig unten durch: ‹Amparo tickt nicht ganz richtig, die muss man nicht ernst nehmen›.»
«Ihr wart ja merkwürdig drauf!», kommentiert María und schweigt, als dächte sie über das nach, was sie gerade gehört hat.
Auch Ginés schweigt. Einen Augenblick lang hat es den Anschein, dass das Gespräch versiegt ist. Der Weg ist jetzt nicht mehr so steil, aber der Belag ist nach wie vor in schlechtem Zustand. Ginés fährt langsam, versucht den vielen Löchern auszuweichen oder zumindest den Schlag so gut wie möglich abzufedern. Die Vegetation ist nicht mehr so dicht, an manchen Stellen tun sich sogar Lücken auf.
«Wir sind bald da», erklärt Ginés.
María beugt sich nach vorne und sieht nach oben.
«Ich weiß nicht, ob ihr heute wieder Sterne gucken könnt. Der Himmel ist bedeckt und schwarz wie Tinte.»
«Damit haben wir gerechnet. In der Wettervorhersage hieß es schon, dass Wolken aufkommen würden.»
María betrachtet wieder das CD-Cover, auf dem eine Gruppe von
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