Ende (German Edition)
Asphaltieren haben sie sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das hier ist mir fast lieber als die vielen Schlaglöcher vorher», sagt María. Der Weg entrollt sich vor ihnen wie ein Band, das im Licht der Scheinwerfer weiß leuchtet, und wird gesäumt von einer dichten Vegetation, die durch den Staub oder das Licht ebenfalls etwas Weißliches hat.
«Offenbar lässt man den Weg verkommen. Früher war hier mal eine Siedlung, oben auf dem Bergrücken, und außerdem gab es vereinzelt Häuser. Aber ich hab noch keins gesehen.»
«Ich schon. Wir sind gerade an einem vorbeigefahren, eine Art Ferienhäuschen. Es war jedoch verrammelt und dunkel.»
«Vielleicht sind die Behörden eingeschritten. Damals wurde öfters illegal gebaut.»
«Wollen wir das Foto weiter durchgehen?», schlägt María vor und nimmt wieder die CD in die Hand. «Es fehlen noch sieben Leute, oder sechs, wenn man dich abzieht. Der neben Ibáñez, wer ist das noch mal?»
Ginés sieht kurz María an, dann die CD.
«Sag mal, María. Ist das wirklich nötig? Niemand wird dich in die Enge treiben. Alle werden schlucken, dass du meine Freundin bist. Du musst einfach nur da sein, mehr nicht. Selbst wenn wir seit Jahren verheiratet wären, wüsstest du nicht alles über meine Freunde aus Jugendtagen.»
María verstummt. Sie starrt nach vorne auf den Waldweg, der immer schlechter wird. Schlaglöcher, Steine, quer verlaufende Wasserrinnen zwingen Ginés, langsamer zu fahren und manchmal sogar fast anzuhalten.
«Hör zu: Du hast eine Eskortdame engagiert», erklärt sie schließlich, «und zwar die teuerste, soweit ich weiß, aber auch die beste. Ich kenne mich aus in Benimmregeln, im Westen wie in Japan. Ich könnte an einem Diplomatendinner teilnehmen, ohne negativ aufzufallen. Ich weiß, wie man auf mittlerem bis hohem Bildungsniveau Konversation betreibt, mit Frauen wie mit Männern. Ich bin gut informiert, bringe mich immer auf den neuesten Stand, vor allem in Sachen Wirtschaft. Deine Freunde stellen für mich also keine große Herausforderung dar. Aber ich bin ein Profi. Mein Job besteht darin, dich gut aussehen zu lassen. Dafür bezahlst du mich, und zwar nicht zu knapp. Wären deine Freunde Banker, würde ich mit ihnen über ihre Boni und Erfolge am Aktienmarkt plaudern. Sie sind aber keine Banker, sondern Jugendfreunde, die sich garantiert freuen, wenn sie merken, dass du sie nicht vergessen hast, dass du dich gern an sie erinnerst, dass du sogar deiner Freundin, deiner neuesten Freundin, oft von ihnen erzählst, von den vielen gemeinsamen Erlebnissen.»
«Okay, ich find’s ja gut, dass du dich da so reinhängst, ehrlich. Ich wollte dich nicht verletzen.»
«Hast du auch nicht. Übrigens: Laut Vertrag hast du ein Anrecht darauf, mich zu vögeln. Ich will mich dieser Verpflichtung auch nicht entziehen, aber ich bestehe auf gewissen Standards, zum Beispiel in Sachen Hygiene. Ich sag’s lieber gleich, denn so wie’s aussieht, erwartet uns eine schmutzige Herberge. Ich weiß, wovon wir sprechen: Schlafsäcke, verrostete Feldbetten, Schaumstoffmatratzen ohne Bezug. Und noch was: Die Sexklausel deckt lediglich den Verkehr zwischen uns beiden ab, also nichts da mit Orgien oder so.»
«Keine Sorge», erwidert Ginés und verzieht missbilligend das Gesicht, «das wird nicht passieren. Meine Freunde hatten mit der sexuellen Befreiung noch nie viel am Hut. Und ich auch nicht. Lass uns mit dem Foto weitermachen.»
«Okay. Neben Ibáñez ist ein Mädchen.»
«Hast du nicht gesagt, dass …?»
«Was soll ich gesagt haben?»
«Dass da ein Typ steht.»
«Stimmt ja auch, links, aber erst kommt dieses Mädchen, zwischen den beiden.»
«Ach, die», sagt Ginés. «Das ist … Ich kann mich nicht mehr erinnern, das Foto habe ich nur zwei- oder dreimal gesehen.»
«Und mir schwirren lauter Namen im Kopf herum: Nieves, Encarna.»
«Encarna? Es gibt keine Encarna. Nieves ist das Mädchen ganz rechts, das weiß ich noch. Zeig mal.»
«Spinnst du? Du kannst anhalten, wenn du dir das Foto genauer ansehen willst.»
«Ist ja gut! Nur eine Sekunde, dann sag ich dir, wer das Mädchen ist.»
María blickt nach vorne, dann zu Ginés, schließlich seufzt sie resigniert und hält ihm das Foto vor die Nase. Ginés betrachtet es eingehend. Es vergehen nur wenige Sekunden, aber María kommt es vor wie eine Ewigkeit, also nimmt sie das Foto wieder weg, bevor Ginés etwas gesagt hat.
«Was soll das? Ich brauch noch ein bisschen!», protestiert er. «Zeig noch mal
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