Ende (German Edition)
ans Zölibat hält.»
«Stimmt», bestätigt Nieves nachdenklich, «noch ist keiner da von denen, die in einer Beziehung leben.»
«Das sind doch nur äußere Umstände», protestiert Ibáñez. «In den wesentlichen Fragen ist der Mensch allein. Und was die Persönlichkeit betrifft: Die wird in der Kindheit geformt. Und von den Genen natürlich. Jedenfalls fallen die Würfel früh und prägen einen für das ganze Leben.»
«Das legt sich jeder so zurecht, wie es ihm am besten passt», befindet Nieves. «Meiner Meinung nach kann eine tiefgreifende Erfahrung, ein Unglück zum Beispiel, die Denkweise eines Menschen durchaus verändern.»
«Die Denkweise schon, die Sicht auf die Welt. Aber die Triebe …»
«Ich für meinen Teil kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich nicht mehr so naiv bin wie früher», sagt Amparo. «Mir wird kein Arschloch mehr das Leben verpfuschen. Darauf kannst du Gift nehmen.»
«Apropos das Leben verpfuschen», sagt Ibáñez. «Der Prophet …»
«Andrés», verbessert ihn Nieves.
«Andrés ist auch noch nicht da. Womöglich ist er verheiratet und hat einen Haufen Kinder.»
«Ich glaub nicht, dass er kommt», sagt Amparo.
«Klar wird unser Freund Andrés kommen», widerspricht ihr Nieves, die plötzlich ernst geworden ist und jedes Wort betont. «Er hat mir versprochen zu kommen, und er wird sein Versprechen halten. Ich weiß nicht, wie ihr darüber denkt, aber ich werde ihn um Verzeihung bitten.»
«Das hättest du schon am Telefon machen können», wendet Ibáñez ein.
«Ich hab gar nicht mit ihm telefoniert.»
«Aber wie hast du dann …?»
«Ich hab ihn nie zu Hause erwischt, aber der Anrufbeantworter sagt eine E-Mail-Adresse an, also habe ich per Mail mit ihm korrespondiert.»
«Dann weißt du also gar nichts von ihm? Wie es ihm geht? Was er beruflich macht?»
«Nein. Ich weiß nur, dass er kommt. Ich hab das Gefühl, er will uns zeigen, dass er uns verzeiht, dass er uns nichts nachträgt.»
«Der Arme!», ruft Amparo. «Ich wünsche ihm so, dass es ihm gutgeht.»
«Er wird kommen», sagt Ibáñez weihevoll wie ein Priester, «und uns eine Gabe bringen, Yemitas de Santa Teresa, süßes Gebäck bestäubt mit Zyanid.»
«Das mag ich nicht an dir», sagt Nieves, «dass du nie ernst sein kannst, dass dir nichts …»
«… heilig ist?», vollendet Ibáñez den Satz. «Und das bei einem Propheten!»
«Sehr witzig!»
«Es reicht!», mischt sich Amparo mit schriller Stimme ein. «Wenn ihr streiten wollt, haue ich ab. Ich will nicht mehr streiten, nie mehr. Und anderen beim Streiten zuhören will ich auch nicht.»
«Sehr gut!», ruft Ibáñez. «Genau das haben wir gebraucht: eine klare Ansage. Das meine ich ernst, ein bisschen soldatische Disziplin täte uns allen …»
«Spiel lieber noch mal die CD», unterbricht ihn Nieves, «dieser Raum hier braucht Musik. Und dann decken wir den Tisch fertig.»
Ibáñez stellt seinen Teller ab und begibt sich in Richtung Stereoanlage, aber nach drei Schritten bleibt er stehen.
«Wollt ihr das wirklich noch mal hören? Ist ein bisschen sehr nostalgisch für meinen Geschmack. Dabei mag ich die Songs eigentlich, auch nach all den Jahren noch. Aber eine Party mit nur einer CD, ich weiß nicht.»
«Wie gesagt, Maribel und Rafa sind für die Musik zuständig.»
«Um Gottes willen!», regt sich Ibáñez künstlich auf, «ausgerechnet die! Die Welt hat sich verändert in den letzten fünfundzwanzig Jahren: Die Demokratie ist stabiler geworden, die Immigration hat massiv zugenommen, der Klimawandel, die globale Erwärmung, der Fall der Mauer, das Ende der beiden Blöcke. Aber ich habe so meine Zweifel, ob unser Pärchen seinen Musikgeschmack verändert hat. Oder überhaupt seinen Geschmack.»
«Hör nicht auf ihn, Nieves», sagt Amparo, «das mit der CD war eine Superidee. Ein tolles Geschenk, ich war richtig gerührt. Und was das gekostet haben muss!»
«Geld gekostet haben nur die Rohlinge. Die Musik habe ich runtergeladen.»
«Das weiß ich doch», fügt Amparo hinzu, «ich meine die Mühe, die du dir gegeben hast: die Songs suchen, das Foto einscannen, und vor allem musstest du überlegen, was wir damals gern gehört haben.»
«Ehrlich gesagt wusste ich es nicht mehr bei allen. Bei Hugo zum Beispiel hatte ich keinen blassen Schimmer. Bei Ginés hingegen wusste ich noch, dass er Pink Floyd mochte. Trotzdem …», Nieves zögert kurz, «… musste ich ein bisschen recherchieren. Wie auch immer», sagt sie an Ibáñez
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