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Enders

Enders

Titel: Enders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
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Mitte der Bühne blieb ich stehen, strahlte ins Publikum, drehte mich um und tänzelte zurück. Auf halbem Wege ließ er mich mit dem Rücken zum Saal anhalten. Was nun? Im nächsten Moment zwang mich doch der Mistkerl tatsächlich, mit dem Hintern zu wackeln. Die Zuschauer lachten.
    Dann musste ich mich wieder dem Saal zuwenden. Ich spürte, wie sich mein Mund bewegte. Das wird ihm nicht gelingen, dachte ich. Aber genau das gelang ihm.
    »Ich bin so hübsch«, sagte ich.
    Das klang ein wenig verfremdet, nicht wie meine, aber auch nicht wie seine Stimme.
    »Ausgezeichnet«, sagte Brockman. »Wie schnell Sie das Mädchen im Griff haben!«
    Nun meldeten sich sämtliche Männer als Freiwillige. Sie reckten die Arme hoch und schrien in allen möglichen Sprachen durcheinander. Ein Ender in einem Smoking sprang auf die Bühne, als der Greis in Grün sein Headset abnahm und Brockman überreichte. Ich spürte, dass ich meinen Körper wieder unter Kontrolle hatte, aber durch den raschen Wechsel der Personen, die Besitz von mir ergriffen, nahm ich alles nur verschwommen wahr.
    Ich sah zu Hyden hinüber. Sein Gesicht war zornrot. Ein Wachtposten hielt ihn am Arm fest.
    Der neue Ender-Freiwillige trat näher. Kurz geschorenes weißes Haar umrahmte sein sonnengebräuntes Gesicht. An seiner Hand funkelte ein protziger Diamantring.
    Brockman legte ihm das Headset an, und der Mann konzentrierte sich einen Moment lang. Nichts geschah. Die Zuschauer begannen zu flüstern. Jemand hustete. Dann spürte ich, wie sich meine Hand hob und den obersten Knopf meiner Hemdbluse öffnete.
    Nein. Das würde er nicht wagen … Aber ich täuschte mich. Meine Hände knöpften die Bluse auf. Dazu bewegte ich meine Hüften wie eine billige Stripperin. Er zwang mich, die Augen zu schließen und den Kopf in den Nacken zu legen, als sei diese Demonstration die reine Ekstase für mich. Meine Hände streiften die Bluse zur Seite. Ein kurzes Top kam zum Vorschein. Ich war dankbar für diesen letzten Schutz – aber wie weit würde der Typ noch gehen?
    Ich spürte, wie alle, auch ich selbst, den Atem anhielten. Dann zog ich die Bluse aus, wirbelte sie ein paar Mal durch die Luft und schleuderte sie dann in den Zuschauerraum. Ein Mann in einem farbenfrohen afrikanischen Gewand fing sie auf und schwenkte sie triumphierend.
    Als Nächstes ließ mich mein Peiniger das Top spielerisch anheben, über den BH hochrollen und ebenfalls ins Publikum werfen, zur großen Freude eines anderen Greises.
    Gegen meinen Willen drehte ich mich zur Seite, sah dem Mann auf der Bühne in die Augen und ging langsam auf ihn zu. Wozu würde er mich noch zwingen? Mit jedem Schritt malte ich mir schlimmere Dinge aus.
    »Aufhören!« Das war Hydens Stimme.
    Ich schaffte es, einen Blick in seine Richtung zu werfen. Der Ender, der meinen Chip steuerte, hatte seine Konzentration verloren. Hyden wurde nun von zwei Wachtposten festgehalten.
    »Das reicht für den Moment«, sagte Brockman. »Wir wollen doch niemandem die Spannung verderben. Wir haben einen weiteren spektakulären Versuch vorbereitet, der Ihnen die ganze Tragweite der neuen Technologie demonstrieren soll. Er stellt eine einmalige Sensation dar – etwas, das Sie noch nie erlebt haben und das Sie nie vergessen werden.«
    Das Publikum beruhigte sich widerwillig.
    Einer der Posten brachte mir meine Bluse, und ich zog sie rasch an, während ich dem Mann mit dem Diamantring wütende Blicke zuwarf.
    »Perversling!«, zischte ich.
    »Fangen wir an«, sagte Brockman.
    Eine der Türen rechts von der Bühne öffnete sich, und sie rollten einen Mann herein, der aufrecht stehend an ein Brett gefesselt war. Das Ganze erinnerte an eine gefährliche Messerwerfer-Nummer im Zirkus. Der Mann hatte dunkles Haar und einen Bart. Ein Middle.
    Erst als er in das helle Licht der Scheinwerferkegel gebracht wurde, erkannte ich ihn.
    Ein Middle, den ich über ein Jahr nicht gesehen hatte. Ein Middle, von dem ich geglaubt hatte, ich würde ihn nie wiedersehen, weil alle behaupteten, er sei tot. Ein Middle, mit dem ich die meisten Erinnerungen meines bisherigen Lebens teilte. Und einen Geheimcode, den nur wir beide kannten.
    Mein Vater. Ich stürzte an seine Seite.
    »Daddy!«
    »Callie«, sagte mein Vater mit leiser Stimme.
    Die Schatten um seine Augen waren noch tiefer als auf dem Video. Verglichen mit dem Dad, den ich kannte, wirkte er ausgezehrt und krank.
    Brockman hatte sich dem Publikum zugewandt. »Falls nicht alle zugehört haben – das hier ist

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