Endithors Tochter
Platz, dann befahl er den Trägern, je vier vorn und hinten, wieder weiterzulaufen. Sie hoben die Sänftenstangen erneut auf die Schultern und folgten weiter der Straße.
Es war eine sehr holprige und laute Fortbewegung. Sonja war leicht beeindruckt von der prunkvollen Innenausstattung der Sänfte, die genug Platz für zwei bis drei Personen bot. Sie war ganz mit Seide gepolstert und wies Zierrat aus Jade, Elfenbein und Gold auf, und die Brokatkissen waren von feinster östlicher Webart.
»Wie bist du denn dazu gekommen?« erkundigte sich Sonja. »Hast du einen reichen Mann im Messerwerfen geschlagen?«
Wieder lachte Sendes. »Nein, leider nicht. Bedauerlicherweise gehört die Sänfte nicht mir, sondern Lord Graf Nalor.«
»Oh.«
»Hast du schon von ihm gehört?«
»Flüchtig.«
»Er ist sehr reich und ein ungemein einflussreicher Staatsmann hier in Shadizar. Ich bin einer seiner Leibwächter. Vor über einem Jahr hat er mich angeworben. So ein angenehmes Leben hatte ich zuvor nie geführt.«
»Das wundert mich nicht.«
»Weißt du …« Sendes beugte sich näher zu ihr. »Wenn du möchtest, könnte ich ein gutes Wort für dich bei Nalor einlegen. Er kann immer gute Wächter brauchen, und einmal einen weiblichen zu bekommen, würde ihm bestimmt gefallen.« Er ‚hob fragend eine Braue.
»Schon möglich«, antwortete Sonja nachdenklich. »Vielen Dank, Sendes – aber ich bin wirklich nicht interessiert.«
»Kann man nichts machen. Aber das war auch nicht der Grund, weshalb ich dich aufhielt. Nalor gibt heute Abend ein Fest, und ich dachte, du würdest vielleicht gern kommen.«
»Ein Fest?«
»Ja, er lädt alle möglichen Leute ein. Es dürfte recht vergnüglich werden. Er macht das alle paar Monate zur Unterhaltung von Staatsmännern, Beratern und allen möglichen. anderen Leuten.«
»Ich zweifle, dass ich dazu passen würde.«
»Vielleicht nicht, aber ich bin sicher, es würde dir Spaß machen! Nalor ist immer darauf bedacht, interessante Leute einzuladen.«
»Ich wäre also eine Art Schaustück?«
Sendes grinste. »Nein, nein, keineswegs. Aber du bekämst ein freies Mahl – wirkliche Leckerbissen! – und Unterhaltung. Du bist gerade erst in die Stadt gekommen, da wäre Nalor möglicherweise an deiner Meinung über auswärtige Politik interessiert. Verstehst du?«
»Du meinst, er wird mich vielleicht als Spion oder Informant anwerben wollen?«
Erneut lachte Sendes. »Nein, das bezweifle ich. Aber ich glaube, wenn du mitkommst, würde es dir gefallen.«
»Bist du auf dem Weg dorthin?«
»Nicht unmittelbar. Nalor bat mich, noch ein paar Sachen, für heute Abend zu besorgen.«
»Hat er dazu denn keine Diener?«
»O doch, natürlich, aber ich ersuchte darum. Dann bin ich einen Tag vom Wachdienst frei, komme hinaus in die Sonne und sehe ein bisschen was von der Stadt.«
»Ich verstehe.«
»Nun, was sagst du? Kommst du mit?«
Sonja zuckte die Schulter. »Für ein kostenloses Mahl, gern. Warum auch nicht? Nur – ich verstehe nicht, weshalb du nicht deine Freundin mitnimmst.«
»Meine Freundin?« Sendes blickte sie verwirrt an.
»Die junge Frau in der Schenke gestern Nacht«, erklärte Sonja.
Sendes’ Miene veränderte sich. Er blickte zur Seite. »Sie ist nicht meine Freundin.«
»Areel – so heißt sie doch?«
»Eine flüchtige Bekannte, das ist alles.«
Die Sänfte holperte weiter. »War das nicht ihr Vater, der gestern hingerichtet wurde?« erkundigte sich Sonja.
Jetzt bedachte Sendes sie mit einem scharfen Blick. Er griff nach Sonjas Hand. Der Druck seiner Finger und sein Blick drückten eine Warnung aus. »Sprich nicht mehr davon, Sonja.«
»Warum nicht?«
»Erwähne es nie wieder«, sagte er nur. »Weder mir gegenüber noch vor Nalor oder seinen Dienstboten. Bitte! Vor allem nicht vor Nalor.«
»Lass meine Hand los, Sendes, oder du verlierst diese Finger!«
Verblüfft über die Kälte ihrer Stimme ließ er sie los.
»Tut mir leid, bitte verzeih mir. Aber ich meine es ernst! Erwähne es nie wieder!«
»Und warum nicht?«
Wieder blickte Sendes zur Seite. Erstaunt musterte Sonja ihn. Schließlich antwortete er fast flüsternd: »Dir ist doch bewusst, dass es so etwas wie Zauberer und Schwarze Magie gibt?«
Sonja musste ein Lächeln verbergen. »Oh, ich habe davon gehört.«
Sendes wandte ihr das Gesicht wieder zu. Qual sprach aus seinen Augen. »Areels Vater – Graf Endithor – war ein Feind von Nalor. Sie kämpften viele Jahre erbittert im Rat gegeneinander. Das ist
Weitere Kostenlose Bücher