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Endithors Tochter

Titel: Endithors Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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öffentlich bekannt. Was nicht öffentlich bekannt ist, ist die Tatsache, dass Endithor vorgestern Nacht versuchte, Nalor durch Schwarze Magie zu töten.«
    »Wirklich?«
    »Es ist wahr. Das war der echte Grund für seine Hinrichtung.«
    »Endithor muss ein sehr böser Mensch gewesen sein.«
    Sendes schüttelte den Kopf. »Das ist ja das Erstaunliche! Er war durchaus nicht böse, sondern ein guter Mann. Er war Areel, seiner einzigen Tochter, sehr zugetan. Ich verstehe einfach nicht, weshalb er das versucht hat!«
    Sonja wusste auch keine Antwort darauf.
    »Das, jedenfalls«, fuhr Sendes fort, »ist meines Erachtens der Grund für das heutige Fest – die Sache soll vergessen werden.«
    »Nalor selbst ist wohl nicht gerade ein argloser Mann«, sagte Sonja nun. »Das, zumindest, habe ich gehört.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nun, der Erwerb von Macht führt gewöhnlich zum Verlust von vielem anderen – glaubst du nicht?«
    Er blickte sie forschend an, dann über ihre Schulter hinaus durch die teilweise geöffneten Vorhänge der Sänfte. Plötzlich lehnte er sich auf seiner Seite hinaus und befahl den Trägern anzuhalten. Die Sänfte holperte mehrmals, als die kräftigen Männer langsamer wurden und schließlich die Tragestangen von den Schultern nahmen, um die Sänfte abzusetzen.
    »Ich hätte es fast vergessen«, sagte Sendes zu Sonja, während er die Vorhänge auf seiner Seite öffnete. »Ich muss ja hier auf dem Markt noch ein paar Sachen für Lord Nalor bestellen. Komm mit. Wenn wir fertig sind, lassen wir uns zu seiner Wohnung bringen.«
     
    Lord Graf Nalors Wohnung nahm das gesamte Erdgeschoß eines Flügels des prächtigen Wohnhauses unweit von Shadizars Palast ein. Als Heim der hochedlen Ratgeber und Staatsmänner der Stadt zeigten Haus und Grundstück in jeder Einzelheit die Vorliebe des zamorianischen Hochadels für Prunk. Verschwenderisch schier waren die Marmorfriese und -säulen, die Einlegearbeiten aus Bronze und Gold, Silber und Elfenbein, Jade und Gagat, die seidenen Gobelins, die Lustgärten mit riesigen Springbrunnen, Tieren und Vögeln, sowohl in Käfigen als auch frei herumlaufend und -fliegend; dazu die Sklaven und Diener jeder Größe und Farbe, die für alle nur vorstellbaren Arbeiten zuständig waren. All das war Zeugnis für den gewaltigen Reichtum von Shadizars Hochadel.
    Sonja und Sendes kamen am Spätnachmittag an, als die Sonne gerade die Wipfel der höchsten Bäume im Westen berührte. Falls Sendes gehofft hatte, der fürstliche Luxus des Hauses und der offensichtlich hohe Stand von Nalors Gästen würde Sonja überwältigen, so musste er nun enttäuscht sein. Es war Sonjas Wesen fremd, sich von Reichtum beeindrucken zu lassen, und schon gar Ehrfurcht vor macht- und raffgierigen Ratgebern, feisten Geldleuten oder öligen Politikern zu empfinden. Zu gut wusste sie, dass solche Männer noch höheren gegenüber nicht weniger untertänig, ja kriecherisch als die ihnen Unterstehenden waren.
    »Setzt uns hier ab!« befahl Sendes den Trägern, als sie an einen Seiteneingang kamen. »Du kannst mit mir kommen, Sonja«, sagte er, als sie ausstiegen. »Ich muss noch mit Nalors Truchsess sprechen.«
    Auf dem Weg ins Haus sahen sie die Sänften vieler hoher Herren sich dem Haupteingang nähern. Sendes, der sich seiner Stellung in Nalors Dienst sehr wohl bewusst war, verbeugte sich geziemend und machte die üblichen Höflichkeitsgesten zu diesen hohen Herrschaften. Sonja schwieg unbeeindruckt, runzelte jedoch die Stirn.
    Sendes bemerkte es. Er stupste sie mit dem Ellbogen. »Sei höflich zu diesen Leuten«, mahnte er. »Lächle und grüße. Du bist eine Ausländerin und musst deshalb nicht das Götterzeichen machen – aber wenn du nicht zumindest so tust, als empfändest du Achtung vor diesen Leuten, könnte es sie reizen.«
    Ihre Antwort war knapp und nicht sehr entgegenkommend: »Gut.«
    Eine weitere Sänfte wurde vorbeigetragen. Ein sonnengebräunter, feister Mann mit juwelenverziertem Bart saß in ihr und blickte die beiden an. Sendes nickte, lächelte, hob die Hand mit eingezogenen Fingern – und seufzte, als er sah, dass Sonja nichts dergleichen tat.
    Die Träger, die ihre Sänften abgesetzt hatten, bildeten inzwischen eine lange Reihe. Sendes ging Sonja voraus durch den Seiteneingang, der in die Küche führte. Das war ein riesiger Raum, aus dem Sklaven mit gewaltigen Tabletts eilten, auf denen Speisen und Kelche standen. Bei den köstlichen Essensdüften spürte Sonja plötzlich, wie

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