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Endithors Tochter

Titel: Endithors Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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du brauchst Geld, um deine kleine Freundin beeindrucken zu können? War es das? He?«
    Der Junge schluckte, schüttelte das helle Haar und blickte zu Sonja hoch. »Essen«, murmelte er.
    »Essen?« echote sie. Nun erst sah sie es, dabei hätte es ihr längst bewusst werden müssen: das schmale Gesicht, die viel zu blasse Haut, die dünnen Arme, halb unter den zerlumpten Ärmeln verborgen. Zu oft war sie selbst hungrig gewesen und hatte aus reiner Verzweiflung deshalb gestohlen, als nicht zu erkennen, dass der Junge die Wahrheit sprach.
    »Wie heißt du, Junge?«
    Zitternde Lippen antworteten: »Chost.«
    »Und du wolltest mein Geld stehlen, um dir etwas zu essen kaufen zu können?«
    Er nickte, aber vorsichtig, um sich nicht selbst an Sonjas Schwert aufzuspießen.
    »Hast du denn keine Eltern?«
    »Nein.«
    »Wo wohnst du?«
    Er schluckte schwer. »Ich weiß nicht …«
    »Auf der Straße?«
    »Auch da …«
    Sonja schüttelte den Kopf. Nein, es wäre nicht recht, ihn zu töten. Er war keine echte Bedrohung. Aber es wäre auch nicht richtig … Sie griff nach ihrem Beutel, zog ihn vom Gürtel, öffnete ihn mit einem Daumen und ließ vier Münzen auf die Gasse fallen: zwei Kupferstücke, einen Silberminar und eine Goldmünze – eine Menge Geld für einen Straßenjungen. Sie hängte den Beutel wieder an ihren Gürtel und zog das Schwert zurück.
    »Nimm das Geld, Chost.«
    »Was?«
    »Nimm das Geld.«
    »N-nein. Ihr werdet mich erstechen!«
    »Bei Mitra! Wirst du dich jetzt endlich bücken und das verdammte Geld aufheben?«
    Verschreckt tat er es, ohne Sonjas Schwert aus den Augen zu lassen. Da seine Beine immer noch stark zitterten, ließ er sich auf die Knie fallen, um die Münzen einzusammeln, und hielt sie in einer verkrampften Hand. Zögernd stand er auf und blickte Sonja an.
    »Ihr werdet mich nicht töten?«
    »Nein. Ich werde dich nicht töten!«
    »Ihr werdet auch die Stadtwache nicht rufen?«
    »Keine Angst! Aber jetzt hör mir gut zu! Für das Geld kaufst du für dich und deine Freunde etwas zu essen, verstanden? Verspiel es nicht und lass es dir auch nicht stehlen, verstanden?«
    »Ihr Götter, ja!«
    »Und noch etwas, Chost. Sag deinen Freunden, sie sollen nicht noch einmal versuchen, mich zu überfallen, denn das nächste Mal kämen sie nicht so glimpflich davon. Verstanden?«
    Er nickte heftig.
    »Na gut, dann verschwinde. Nein, warte noch!«
    Unsicher blickte Chost sie an.
    »Wenn du tatsächlich das nächste Mal jemanden mit einem Schwert überfallen musst, bloß um nicht zu. verhungern, dann tu es wenigstens richtig! Wirf erst mal ein paar Steinchen – das verwirrt die meisten – und besorg dir eine Decke, die du über sie wirfst. Man kann nicht kämpfen, wenn man nichts sieht. Also, plan es besser, verstanden?«
    »Ich – ja, ja!«
    »Wie erwartest du, auf Dauer zu überleben, wenn du dich wie ein Esel benimmst?«
    »Ich – ich weiß nicht.«
    Sonja lächelte. »So, lauf jetzt!«
    Der Bengel nickte, drehte sich halb um, fing zu rennen an und schaute sich noch einmal um.
    Sonja schob das Schwert in die Scheide zurück.
    Chost rannte nun, dass seine dünnen Stiefel auf dem Kopfsteinpflaster klapperten.
    Sonja seufzte und schnäuzte sich. Kinder! Shadizar hatte sich nicht verändert – die Zustände waren weder besser noch viel schlechter geworden. Sie fragte sich, was vernünftiger wäre: den Straßenjungen mit Steuergeldern zu helfen, wie manche Städte es taten, oder sie in Ruhe zu lassen, dass sie selbst zu überleben lernten? Doch wie auch immer, leicht hatten solche Kinder es nicht.
    Aber was ging es sie an? Sie selbst hatte sich elternlos durchschlagen und lernen müssen zu überleben – allerdings nicht in so früher Kindheit …
    Sie verließ die Gasse und ging in der eingeschlagenen Richtung weiter. Keine verräterischen Geräusche waren mehr zu hören, keine Banden von Kindern hatten es mehr auf ihren Beutel abgesehen. Sie überquerte die Straße und ging auf ihre Herberge zu.
    Sie stieß die alte Holztür auf, stieg in der muffigen Dunkelheit zwei Stockwerke hoch zu ihrer Kammer im Obergeschoß. Die Tür verschloss sie hinter sich, zog sich in der Dunkelheit aus und stieß das Schwert in einen Spalt zwischen den Bodenbrettern neben dem Bett, damit es in Reichweite war. Dann kuschelte sie sich unter die Decken und schlief sofort ein.
    In der Nacht, viele Straßen entfernt, fand Chost endlich seine Freunde. Er verfluchte sie, weil sie einfach davongelaufen waren, und zeigte ihnen das

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