Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katz und Maus

Katz und Maus

Titel: Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
Vom Netzwerk:
I
    . . und einmal, als Mahlke schon schwimmen konnte, lagen wir neben dem Schlagballfeld im Gras. Ich hätte zum Zahnarzt gehen sollen, aber sie ließen mich nicht, weil ich als Tickspieler schwer zu ersetzen war. Mein Zahn lärmte. Eine Katze strich diagonal durch die Wiese und wurde nicht beworfen. Einige kauten oder zupften Halme. Die Katze gehörte dem Platzverwalter und war schwarz. Hotten Sonntag rieb sein Schlagholz mit einem Wollstrumpf. Mein Zahn trat auf der Stelle. Das Turnier dauerte schon zwei Stunden. Wir hatten hoch verloren und warteten nun auf das Gegenspiel. Jung war die Katze, aber kein Kätzchen. Im Stadion wurden oft und wechselseitig Handballtore geworfen. Mein Zahn wiederholte ein einziges Wort. Auf der Aschenbahn übten Hundertmeterläufer das Starten oder waren nervös. Die Katze machte Umwege. Über den Himmel kroch langsam und laut ein dreimotoriges Flugzeug, konnte aber meinen Zahn nicht übertönen. Die schwarze Katze des Platzverwalters zeigte hinter Grashalmen ein weißes Lätzchen. Mahlke schlief. Das Krematorium zwischen den Vereinigten Friedhöfen und der Technischen Hochschule arbeitete bei Ostwind. Studienrat Mallenbrandt pfiff: Wechsel Fangball Übergetreten. Die Katze übte. Mahlke schlief oder sah so aus. Neben ihm hatte ich Zahnschmerzen. Die Katze kam übend näher. Mahlkes Adamsapfel fiel auf, weil er groß war, immer in Bewegung und einen Schatten warf. Des Platzverwalters schwarze Katze spannte sich zwischen mir und Mahlke zum Sprung. Wir bildeten ein Dreieck. Mein Zahn schwieg, trat nicht mehr auf der Stelle: denn Mahlkes Adamsapfel wurde der Katze zur Maus. So jung war die Katze, so beweglich Mahlkes Artikel – jedenfalls sprang sie Mahlke an die Gurgel; oder einer von uns griff die Katze und setzte sie Mahlke an den Hals; oder ich, mit wie ohne Zahnschmerz, packte die Katze, zeigte ihr Mahlkes Maus: und Joachim Mahlke schrie, trug aber nur unbedeutende Kratzer davon.
    Ich aber, der ich Deine Maus einer und allen Katzen in den Blick brachte, muß nun schreiben. Selbst wären wir beide erfunden, ich müßte dennoch. Der uns erfand, von berufswegen, zwingt mich, wieder und wieder Deinen Adamsapfel in die Hand zu nehmen, ihn an jeden Ort zu führen, der ihn siegen oder verlieren sah; und so lasse ich am Anfang die Maus über dem Schraubenzieher hüpfen, werte ein Volk vollgefressene Seemöwen hoch über Mahlkes Scheitel m den sprunghaften Nordost, nenne das Wetter sommerlich und anhaltend schön, vermute, daß es sich bei dem Wrack um ein ehemaliges Boot der Czaika-Klasse handelt, gebe der Ostsee die Farbe dickglasiger Seltersflaschen, lasse nun, da der Ort der Handlung südöstlich der Ansteuerungstonne Neufahrwasser festgelegt ist, Mahlkes Haut, auf der immer noch Wasser in Rinnsalen abläuft, feinkörnig bis graupelig werden; doch nicht die Furcht, sondern das übliche Frösteln nach zu langem Baden besetzte Mahlke und nahm seiner Haut die Glätte.
    Dabei hatte keiner von uns, die wir dürr und langarmig zwischen seitlich wegragenden Knien auf den Resten der Kommandobrücke hockten, von Mahlke verlangt, nochmals in den Bugraum des abgesoffenen Minensuchbootes und in den mitschiffs anstoßenden Maschinenraum zu tauchen, etwas mit seinem Schraubenzieher abzufummeln, ein Schräubchen, Rädchen oder was Dolles: ein Messingschild, dichtbeschrieben mit den Bedienungsanweisungen irgendeiner Maschine in polnischer und englischer Sprache; denn wir hockten ja auf allen über dem Wasserspiegel ragenden Brückenaufbauten eines ehemaligen, in Modlin vom Stapel gelaufenen, in Gdingen fertiggestellten polnischen Minensuchbootes der Czaika-Klasse, das im Jahr zuvor südöstlich der Ansteuerungstonne, also außerhalb der Fahrrinne und ohne den Schiffsverkehr zu behindern, abgesoffen war.
    Seitdem trocknete Möwenmist auf dem Rost. Sie flogen bei jedem Wetter fett glatt, mit seitlichen Glasperlenaugen manchmal knapp und fast zum Greifen über den Resten des Kompaßhäuschens, dann wieder hoch wirr und nach einem Plan, der nicht zu entziffern war, spritzten im Flug ihren schleimigen Mist und trafen nie die weiche See aber immer den Rost der Brückenaufbauten. Hart stumpf kalkig dauerten die Ausscheidungen in Klümpchen dicht bei dicht, auch in Klumpen übereinander. Und immer, wenn wir auf dem Boot saßen, gab es Fußnägel Fingernägel, die den Mist abzusprengen versuchten. Deswegen brachen unsere Nägel, und nicht, weil wir– außer Schilling, der immer kaute und Nietnägel hatte – an

Weitere Kostenlose Bücher