Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Fahrstunde von dort, wo wir wohnen – womit bewiesen wäre, dass es sich um einen Panikkauf in der Mittagspause handelte. Der Gutschein steckte ein Jahr lang in meiner Handtasche, bis er schließlich verfiel. Ich kam einfach nicht dazu, mich zwei Stunden lang durch den grässlichen Verkehr in Sydney zu quälen, um eine entspannende Massage zwischen meine anderen Termine zu quetschen.
Ähnlich überfällig wie eine Ganzkörpermassage ist dieses Wochenende. Wir sind alle so sehr mit unserem hektischen Leben beschäftigt, das natürlich nicht unser Leben ist. Denn für etwas, das man »Leben« nennen könnte, reicht die Zeit nicht, wenn man Kinder hat.
Ich gähne. Mit dem Schlaf bin ich ebenfalls schwer im Rückstand. Seit etwa zwei Jahren wache ich jeden Morgen um drei Uhr auf. Ich hoffe jedes Mal, dass Frank auch wach sein könnte, zappele aber nur im Notfall so lange herum, bis ich ihn dabei versehentlich wecke. Diese Einsamkeit im Dunkeln bringt mich immer dazu, über grässliche, umwälzende Fragen nachzugrübeln. Zum Beispiel, warum ich immer noch das Gefühl habe, dass in meinem Leben irgendwas fehlt. Und ob meine Cousine Shireen ihren Lymphdrüsenkrebs überleben wird. Und ob ich überhaupt richtige Freundinnen habe.
Ihr wisst schon – wie die Mädels von unserem letzten Weiberabend, von denen ich dachte, wir würden ein Leben lang Freundinnen bleiben. Aber diese Freundschaften waren nur eine Phase, wie die Kindheit. Als die Eigenarten und Talente unserer Kinder zum Vorschein kamen, überlegten wir sehr gründlich, welches Kind sich in einer reinen Jungen- oder Mädchenschule am besten entwickeln könnte, ob eine Konfessionsschule oder eine mit künstlerischem Schwerpunkt besser wäre. Währenddessen zerstreuten wir uns wie aufgescheuchte Seemöwen in alle Richtungen, wohin die Persönlichkeiten unserer Kinder uns eben verschlugen. Ich hatte ja keine Ahnung, wie flexibel ich sein kann und wie leicht es mir fallen würde, mich jeweils mit den Eltern der aktuell besten Freunde meiner Kinder anzufreunden. Manchmal frage ich mich, seit wann meine eigenen Vorlieben mir offenbar nichts mehr wert sind.
»Heb sie dir für später auf, wenn du in Rente bist«, hat Frank dazu einmal gesagt.
Das war mit ein Grund, dass ich zu dieser Ernährungsberaterin gegangen bin. Ich wollte wohl dafür sorgen, dass ich auch wieder zähle. Wie ich immer zu den Kindern sage: »Es dreht sich nicht alles bloß um euch.« Aber sie wissen, dass das gelogen ist.
Vor zwei Jahren habe ich dann angefangen, heimlich Geld zu sparen. Frank und ich reden schon seit fünf Jahren von einem Urlaub in der Toskana, nur wir beide. Aber irgendetwas kommt immer dazwischen, und es ist nie genug Geld da. Wer soll sich denn dann um die Kinder kümmern, wo doch unsere Eltern und Geschwister nicht mal auf demselben Kontinent leben? Zu allem Übel ist der Zinssatz für unsere Hypothek gestiegen, Jamie musste zum Kieferorthopäden und brauchte eine Zahnspange und Aaron Nachhilfestunden in Mathe. Na ja, es eilt wohl nicht. Die Toskana läuft uns nicht weg.
Allmählich glaube ich, dass Helen irgendwo ein bisschen geheimes Geld herumliegen hat. Oder dass Davids Geschäft still und unauffällig boomt wie verrückt. Vor drei Monaten war sie mit ihrer Physiotherapeutin (ohne David und die Kinder) zehn Tage auf Bali und davor mit ein paar alten Schulfreundinnen in Indien. Dabei dachte ich, unsere Freundschaft sei etwas ganz Besonderes. Als ich dann wissen wollte, warum sie nie mich fragte, ob ich solche Reisen mit ihr machen würde, lachte sie nur und sagte: »Du würdest deine Kinder niemals zehn Tage lang aus den Augen lassen.« Darum geht es aber gar nicht. Man möchte einfach nur gefragt werden.
Helen hat sich das Kinn mit ein wenig Frittieröl verschmiert. Ich beuge mich vor und wische es mit der Serviette ab. Dankbar nickt sie mir zu. Sie macht mir Appetit darauf, mich zu amüsieren, die großherzige Stimmungsmacherin.
»Es ist schön, mal wieder ein bisschen Zeit mit dir zu verbringen«, verkünde ich beinahe anbetungsvoll.
Ihr Gesicht nimmt einen ulkigen Ausdruck an. Sie hat es nicht so mit wortreichen Zuneigungsbekundungen.
»Ich werde in absehbarer Zeit nicht sterben«, sagt sie und starrt mich mit großen Augen an. Dann verzieht sie die Lippen zu ihrem breiten Grinsen und fügt hinzu: »Na los, ich hole uns ein Fläschchen Champagner, und wir legen uns in die Sonne.«
Sie eilt nach drinnen und kommt mit zwei Gläsern Champagner und
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