Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Cellulite.
Virginia
Alter: 49
Ledig und kinderlos.
Blick hinter die Fassade: Frühe Wechseljahre (entfernte Gebärmutter), Gelenkrheuma im Frühstadium.
1 Ein Haus, von dem man selbst nur träumen kann
M it dir ist es gar nicht mehr lustig«, brummt Helen.
Ich stakse auf dem Kopfsteinpflaster hinter ihr her wie ein Groupie auf Highheels nach ein paar Martinis zu viel und zerre meinen Rollkoffer mit. Lavendelbüsche in voller Blüte flankieren den Weg bis zur Tür dieses – glaubt mir, es gibt kein anderes Wort dafür – Anwesens. Ihr wisst schon: so ein Haus, von dem man selbst nur träumen kann. Das einem nie gehören wird, jedenfalls nicht in diesem Leben. Allerdings ist »Haus« hier nicht zutreffend, denn so nennt man üblicherweise die bescheidenen vier Wände, in denen normale Leute wohnen. Das hier ist pure Prahlerei. Giftgrüner Efeu ist um die eleganten Schultern des Gebäudes drapiert, und die glänzenden Fenster zwinkern uns zu. Ich frage mich, welchen Millionären es gehören mag und wo sie jetzt wohl sind. Wahrscheinlich auf ihrer eigenen Insel in der Karibik.
Allerdings werdet ihr vielleicht ein bisschen neidisch, wenn ich euch erzähle, dass wir dieses Anwesen zumindest für ein paar Tage gemietet haben. Helen dachte sich, dass ein Wochenende unter Freundinnen mich aus meiner Depression aufrütteln könnte, obwohl ich ihr immer wieder erkläre, dass ich nicht an Depressionen leide. Es gibt eine Menge Gründe für meine Schlaflosigkeit.
»Du willst meine Mutter sein? Ich bin dir doch scheißegal.« Das waren die letzten Worte meiner Tochter Jamie, ehe sie vor nicht einmal drei Minuten einfach auflegte, während ich in der Einfahrt parkte. Diesmal werde ich sie nicht zurückrufen. Das lasse ich mir nicht gefallen. Sie ist jetzt dreizehndreiviertel. In dieser Phase gewöhnt man sich allmählich an den Hass.
Letzte Woche allerdings, als sie diesem Wackelhündchen mit der Schärpe, auf der »Weltbeste Mutter« steht, den Kopf abgerissen hat … also, das hat wirklich weh getan. Sie hatte es in der Schule gebastelt, und es war an meinem Armaturenbrett befestigt. »Die ganze Klasse musste diese Dinger machen. War nicht meine Idee«, brüllte sie, als hätte sie lieber Weltblödeste Mutter darauf geschrieben. Ich mochte dieses Hündchen. Sein Torso gilt mir als Mahnmal für alles, was ich als Mutter falsch gemacht habe.
»Schalt doch dein Handy aus«, sagt Helen.
Als wäre es das Telefon, das mich hasst. Sie kämpft mit dem Schlüsselbund, den sie auf dem Weg hierhin im Büro der Ferienwohnungsvermittlung in Bowral abgeholt hat. Ich wartete derweil im Auto und blätterte in Das nackte Überleben: Die 100 größten Gefahren der Welt, das Aaron heute Morgen auf dem Rücksitz hatte liegen lassen. Zweifellos ist dafür wieder mal eine Überziehungsgebühr der Bücherei fällig. Ich könnte sie ihm vom Taschengeld abziehen. Aber dann würde mich bloß seine Klassenlehrerin anrufen und mir berichten, dass er seine Pokemon-Karten oder Nintendo-Gamecards auf dem Pausenhof verkauft. In den zehn Minuten, bis Helen zurückkam, erfuhr ich, wie leicht man durch Botulismus, Kugelfischgift und den gefrorenen Inhalt von Flugzeugtoiletten zu Tode kommen kann – so etwas muss ein elfjähriger Junge offenbar unbedingt wissen.
»Deine Kinder werden schon ein Wochenende lang ohne dich überleben. Steh ihnen einfach mal nicht zur Verfügung.«
Helen hat einen völlig anderen Erziehungsstil als ich und handelt eher nach der Devise: »Lass sie mal machen.« Ich hingegen gleite von einer Sorge (plötzlicher Kindstod, Ersticken an kleinen Gegenständen oder Ertrinken in flachen Gewässern) zur nächsten (Straßen überqueren, allein öffentliche Toiletten aufsuchen und beim Freund einer Freundin im Auto mitfahren, der gerade erst den Führerschein gemacht hat). All das sagt allerdings mehr über die Gesellschaft aus, in der wir leben – eine Welt, die meine Kinder sich mit Vergewaltigern und verantwortungslosen Autofahrern teilen müssen –, als über mich.
Sicheres Geleit – mehr verlange ich doch gar nicht für meine Kinder. Nur von hier bis ins Erwachsenenalter. Aber wohin ich auch schaue, scheint Gefahr zu lauern. Heutzutage kann man ja kaum mehr die Zeitung aufschlagen, ohne vorher Valium zu schlucken. Hai-Attacken, Autounfälle, Skiunglücke, Terroristen, die Pädophilen nicht zu vergessen. Ich liebe Alice Sebold, aber ich muss sagen, dass In meinem Himmel in dieser Hinsicht wenig hilfreich war.
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