Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Wir öffnen die Türen zu der überdachten Veranda, die einmal um das ganze Haus geht und von der man auf wuchernde Beete mit Lavendel, Rosenbüschen und anderen bunten Blüten blickt. Auf der staubigen Glasplatte des Tisches steht ein leerer Vogelkäfig, über dem Geländer liegt eine Hängematte, von den Deckenbalken hängen zwei kokonförmige Sessel – die ich ganz bezaubernd finde – und eine Reihe bunte, aber sehr staubige Flaschen. Ein gepflasterter Weg führt einen sanften Abhang hinab zu einer Pergola neben einem kleinen Teich.
»Himmel, was für eine Aussicht«, seufzt Helen.
Der Horizont ist von Wald gesäumt, und die sanften Hügel sind unterteilt in pistaziengrüne und zimtbraune Streifen.
Ich lege Helen einen Arm um die Schulter und drücke sie an mich.
»Das war eine gute Idee.«
Sie nickt.
»Hier wurde hoffentlich niemand ermordet?«
»Was glaubst du, warum wir das Haus so günstig bekommen haben? Pass bloß auf, dass du nicht in die Blutflecken auf dem Teppich trittst.«
Sehr lustig. Das soll doch ein Witz sein – oder?
»Sei einfach mal fröhlich und genieße den Augenblick.«
Ich nehme den Arm von ihrer Schulter. Sie weiß genau, wie sie mich treffen kann. Okay, dafür brauche ich ihre Geburtstagsgeschenke nie weiterzuverschenken. Als sie mir letztes Jahr ein Blatt vom heiligen Bodhi-Baum aus Indien mitbrachte – das sie durch den Zoll schmuggeln musste –, habe ich geweint. Sie erzählte mir, wie sie sich zusammen mit Tausenden anderen Touristen darauf gestürzt hatte, als es ausgerechnet vor ihr zu Boden fiel. Aber sie bekam es als Erste zu fassen. Mit Helen möchte man wirklich nicht streiten, das könnt ihr mir glauben.
Frank betrachtete das Blatt und sagte: »Wahrscheinlich hat sie es irgendwo in Delhi von der Straße aufgelesen.« Aber bei etwas so Wichtigem würde Helen mich nicht belügen. Sie hat meine Hand gehalten, während ich schlotternd vor Angst auf eine Darmspiegelung wartete, sie war für mich da, als Frank und ich eine Beziehungskrise hatten, und sie hat mich von Trauer, Heimweh und mehreren schwierigen Phasen in Aarons und Jamies Leben abgelenkt, indem sie mich ins Kino geschleift und mit Maltesers-Schokokugeln vollgestopft hat. Sie hat mir über wirklich schlimme Zeiten hinweggeholfen. Vielleicht werden wir uns demnächst öfter sehen, je älter die Kinder werden.
»Wo sind eigentlich die Besitzer?«, frage ich. »Was hat dieses Haus für eine Geschichte?«
Helen winkt ab. »Keine Ahnung. Wen interessiert das schon? Für die nächsten achtundvierzig Stunden gehört Blind Rise Ridge uns. Wir können tun und lassen, was wir wollen – außer mit dem Flügel. Für mich steht dieser Nachmittag ab sofort unter dem Zeichen der Krabbe. In Thai-Sauce.«
2 Die lang vermisste freie Natur
M ein iPhone zeigt keine verpassten Anrufe oder neuen Nachrichten an, weshalb ich es wieder in die Tasche meiner Jeans stecke. Helen öffnet ihre Pappschachtel und beobachtet dann kritisch, wie ich meinen Krabben-Papaya-Salat ohne Erdnüsse aufmache. Er liegt in der Plastikschüssel auf einem Nest aus Bohnensprossen und Karottenstreifen. Gesund ist gar kein Ausdruck.
Sie nimmt sich eine frittierte Krabbe, beißt hinein und stöhnt vor Genuss. »Die musst du probieren.«
»Hundert Prozent Fettgehalt. Du könntest genauso gut eine Schüssel Walfischspeck essen«, sage ich bloß.
»Macht dieser ständige Verzicht dich wirklich glücklich?«
Sie beißt wieder von der Krabbe ab, deren Panade mit Chili und Koriander gewürzt ist.
»Er hat mich zumindest dünner gemacht. He, du magst doch gar keinen Koriander.«
»Jetzt nicht mehr. Ich liebe Koriander.«
»Seit wann das denn?«
»Schon ungefähr ein Jahr.«
»Du kannst doch nicht einfach anfangen, Koriander zu mögen, und mir nichts davon erzählen. Ich bin deine Freundin, mir solltest du alles sagen.« Was hat sie früher für einen Aufstand gemacht, wenn ich auch nur einen Hauch Koriander in einen Salat oder ein Wok-Gericht geben wollte.
»Wann denn? Ich sehe dich ja kaum noch. Ich muss extra ein Mädels-Wochenende organisieren, um mal ein bisschen Zeit mit dir zu verbringen.«
Das letzte Mal haben wir uns getroffen, als Helen mich überredet hat, sie zu einem Vortrag im örtlichen Krankenhaus zu begleiten: »So überleben Sie die Pubertät Ihrer Tochter.« Ich habe einiges darüber gelernt, was zwölfjährige Mädchen heutzutage so treiben, und mich schrecklich blamiert, weil ich mindestens drei von zehn Fragen über
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